Zwischen Olivenhainen (German Edition)
Mario hatte sich bis jetzt suchend umgeschaut, aber er schien seinen Freund nirgendwo ausfindig machen zu können, was auch wirklich ein Wunder gewesen wäre, bei der Menge an Gästen, und so wunderte es Leslie gar nicht, als er sein Handy aus der Anzugtasche zog und eine Nummer wählte. Wahrscheinlich Raffaellos. Er sagte einige Worte auf Italienisch und wandte sich dann mit den Worten: „Dort oben“, zum Haus um.
Leslie blickte an der sauberen Wand hinauf und ihr Herzschlag geriet kurz außer Kontrolle, als sie Raffaello auf einem der schwarzen Balkone stehen sah. Er winkte ihnen kurz zu, bevor er im Inneren des Palazzos verschwand.
„Er kommt runter“, erklärte Mario.
Leslie spürte, dass sie aufgeregt wurde. Wahrscheinlich schoss ihr das ganze Blut in den Kopf, aber sollte es so sein, merkte Mario es scheinbar nicht, oder er übersah es höflich.
11
Ein paar Sekunden später sah Leslie, wie sich Raffaello seinen Weg durch die tanzenden Paare bahnte, manche sprachen ihn an, die ihn als Geburtstagskind erkannten, und er wechselte einige höfliche Worte mit ihnen, doch es war ihm deutlich anzumerken, dass er ungeduldig darauf wartete, seinen Weg fortsetzen zu können. Einen Anzug trug er heute nicht, er war völlig in Schwarz gekleidet. Die Sonnenbrille steckte an seinem Hemd und Leslie hatte das Gefühl, dass er sie liebend gerne aufgesetzt hätte, damit ihn niemand mehr so leicht erkennen konnte. Tapfer brachte er noch einige weitere Smalltalkgespräche und Glückwünsche hinter sich, dann war er endlich bei Mario und Leslie angekommen. Kurz, ganz kurz nur, schien er nicht recht zu wissen, was er sagen sollte, denn er stand für einige Sekunden relativ verkrampft da, was ungewöhnlich für ihn war, bevor er Leslie die Hand reichte und ihr ein strahlendes Macholächeln schenkte.
„Schön, dass du doch gekommen bist“, sagte er und sie hatte das Gefühl, er meinte es tatsächlich ernst, was sie beunruhigenderweise gleich viel fröhlicher stimmte. Irgendwie war sie nicht imstande, auch nur ein Wort über die Lippen zu bringen, also lächelte sie einfach zurück und hoffte inständig, dass sie nicht zu dämlich dabei aussah. Raffaello wandte sich an Mario und sprach mit ihm etwas auf Italienisch, das klang, wie: „Danke Mario, dass du sie hergebracht hast!“, dann deutete Mario eine spielerische Verbeugung an und grinste.
„Ich lass euch dann mal alleine“, sagte er. „ Ciao , Leslie, war nett, dich kennenzulernen!“ Und bevor sie erwidern konnte, dass es ihr ebenso ging – was auch wirklich stimmte – hatte sich Mario umgedreht und war in der Menschenmenge verschwunden. Jetzt stand sie also da, alleine mit Raffaello, und überlegte fieberhaft, was sie nun sagen könnte, und da fiel ihr ein, dass er ja Geburtstag hatte.
„Alles Gute übrigens“, sagte sie, und als sie seine Hand schüttelte, spürte sie, wie ein Teil ihrer anfänglichen Verkrampfung von ihr abfiel.
„ Grazie “, erwiderte Raffaello lächelnd und Leslie schrumpfte unter seinem aufmerksamen, ungewöhnlich warmen Blick zusammen – bis ihr siedend heiß einfiel, dass sie kein Geschenk für ihn dabei hatte, woran er wohlgemerkt nicht ganz unschuldig war.
„Entschuldige“, brachte sie verlegen hervor. „Ich hab’ gar kein Geschenk für dich oder so …“
Aber er lachte nur amüsiert auf. „Mach dir darum keine Sorgen“, sagte er. „Ich bin wirklich froh, dass du dich entschlossen hast zu kommen. Das ist bis jetzt das schönste Geschenk, das ich heute bekommen habe.“ Das klang verdammt ernst, so, als meinte er es tatsächlich so, und erneut brachte er Leslie damit in Verlegenheit.
„Wow“, machte sie, um vom Thema abzulenken. „Du bist jetzt achtzehn. Du hast’s echt gut!“ Sie lächelte, doch Raffaello sah sich suchend um, bevor er sich ihr erneut zuwandte.
„Lass uns irgendwo anders hingehen, ja?“, sagte er. „Hier ist nicht gerade der angenehmste Platz, um sich zu unterhalten, schätze ich.“
Da musste Leslie ihm recht geben und so folgte sie ihm zögernd in das Gewühl aus Menschen hinein. Er führte sie zwischen den Gästen hindurch und sie spürte, wie einige ihnen hinterher sahen und mit einem Mal kam sie sich schrecklich underdressed vor. Bemüht, keinem in die Augen zu blicken, folgte sie Raffaello an den Rand der Tanzfläche, aber sie spürte die Blicke einiger recht gutaussehenden jungen Italienerinnen, die ein Stück weiter neben ihnen standen, doch kritisch auf ihr ruhen. Vorsichtig
Weitere Kostenlose Bücher