Zwischen Olivenhainen (German Edition)
Tor geöffnet und gab den Blick auf eine von hohen Schirmakazien gesäumte Auffahrt frei, die in einer Kurve endete.
„Willkommen bei den Ruggieros, Leslie“, sagte Mario und lächelte ihr aufmunternd zu, scheinbar weil er gemerkt hatte, dass sie doch etwas überwältigt war von dem Anblick, der sich ihr bot. Als sie um die Kurve bogen, konnte Leslie das Haus der Ruggieros sehen. Vielleicht hatte sie mit der Idee vorhin, die Familie residiere auf einem Schloss, mehr recht gehabt, als sie angenommen hatte.
Der große, weiße Palazzo , dessen vordere Front von sechs Säulen aus Marmor gesäumt wurde, erhob sich fast unwirklich in den dämmrigen Himmel. Breite Fenster schmückten die Front, einige waren geöffnet, wahrscheinlich wegen der verfluchten Hitze, aber die meisten waren verschlossen, viele davon sogar mit Klappläden verriegelt. An den Balkonen und den Seitenwänden des Palazzos bahnten sich Kletterpflanzen ihren Weg nach oben und irgendjemand hatte viel Zeit damit verbracht, am Boden rund um die breite Eingangstreppe die verschiedensten Arten von Blumen und kleine Zitronenbäumchen aufzustellen. Wäre das Haus insgesamt kleiner gewesen, hätte Leslie es durchaus gefallen, doch es war eindeutig zu riesig. Und in der Auffahrt parkten viel zu viele Autos. Teure Autos, die in der untergehenden Sonne um die Wette glänzten, und sich gegenseitig zuzurufen schienen: „Ich bin das Schönste!“
Zwischen zwei der protzigen Autos, einem Ferrari und einem Mercedes, parkte Mario den Jaguar, dann stieg er aus und beeilte sich, Leslie die Tür zu öffnen. Wohl weniger aus Höflichkeit, als aus Sorge, sie könne die Tür des teuren Wagens versehentlich gegen eines der anderen Autos stoßen, wie Leslie vermutete. Aber sie bedankte sich trotzdem höflich. Als sie aus dem Auto geklettert war, drangen langsam die Geräusche wieder an ihre Ohren. Im Inneren des Jaguars war es unheimlich still gewesen. Jetzt konnte sie die laute Musik hören, die von irgendwo hinter dem Haus vom Wind zu ihnen herübergetragen wurde. Es war ein Walzer, soviel konnte sie aus den Musikfetzten heraushören. Dazu mischte sich Stimmengewirr und sie bildete sich ein, sogar Besteck auf Tellern klappern zu hören.
„Die Party findet hinten in Garten statt“, sagte Mario und ging voraus, zwischen den funkelnden Autos hindurch. Nachdem Leslie noch einen kurzen, sehnsüchtigen Blick zurück über die Schulter geworfen hatte, folgte sie der großen, hageren Gestalt Marios hinüber zu dem riesigen, weißen Palazzo , der aus der Nähe noch größer auf sie wirkte und sie schauderte erneut, als sie bemerkte, dass zwischen den Olivenbäumen noch weitere Wachen mit Gewehren auf und ab gingen und aufmerksame Blicke umherschweifen ließen. Raffaellos Vater musste einige Feinde haben, dachte sie. Vielleicht war er ein nicht ganz so beliebter Politiker?
Doch all diese Gedanken wurden ihr mit einem Schlag zunichtegemacht, als sie an Marios Seite durch ein schmales Tor – jedenfalls im Gegensatz zu dem am Haupteingang – in den Garten trat. Der Garten, der schon eher die Bezeichnung ‚Park‘ verdient hätte, war voller Menschen. Viele von ihnen saßen an langen Tischreihen, die dicht nebeneinander im Gras aufgestellt worden waren, Kellner eilten dazwischen herum, brachten den Gästen Essen an den Tisch, oder gossen irgendeinen teuren Wein ein. Kleine Kinder, in edlen Anzügen und Kleidchen gekleidet, rannten zwischen den Beinen der Erwachsenen herum, die sich unterhielten. Im Schatten eines alten Olivenbaumes saßen mehrere alte Herren in feinen Anzügen und dösten mit einem Glas Sekt in der Hand vor sich hin. Hinter den vielen langen Tischreihen befand sich wohl eine Tanzfläche, denn dort wimmelte es nur so von Menschen. Junge Mädchen, die mit ihren Vätern oder Freunden tanzten, alte Ehepaare, Menschen jedes erdenklichen Alters. Die meisten von ihnen waren Italiener, aber Leslie hörte auch einige englische Sprachfetzen heraus. Hinter der Tanzfläche war eine flache Bühne aufgebaut, auf der ein Orchester spielte. Nicht allzu groß, aber die wichtigsten Instrumente waren doch vertreten. Über all dem lag ein berauschendes Stimmengewirr und der köstliche Duft nach irgendeinem Essen, das Leslie nicht kannte. Aber Raffaello konnte sie nirgends entdecken.
„Wo ist Raffaello?“, schrie sie Mario ins Ohr, denn der Lärm, der von den vielen Menschen verursacht wurde, machte es fast unmöglich, in vernünftiger Lautstärke miteinander zu reden.
Auch
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