Zwischen Olivenhainen (German Edition)
schielte sie zu ihnen herüber. Die fünf Mädchen waren schätzungsweise in Raffaellos Alter und ziemlich aufgetakelt. Vorhin hatte Leslie absolut keine Zeit für aufwendige Schminke gehabt und für eine solche elegante Hochsteckfrisur, wie sie die Fünf trugen, hatte sie erst recht keine Nerven gehabt, also fiel ihr das lange Haar nun glatt über die Schultern und mit ihrem ‚ Bella Italia ‘-Shirt kam sie sich mittlerweile ziemlich bescheuert vor.
Schnell wich sie den hochnäsigen Blicken der Mädchen aus und schaute zu Raffaello, der sie scheinbar die ganze Zeit über beobachtet hatte. Jetzt stahl sich das Macholächeln auf sein Gesicht und Leslie fragte sich, ob er wohl genau bemerkt hatte, dass die fünf Mädchen neben ihnen auffällig oft kichernd in seine Richtung sahen. Mario hatte anscheinend tatsächlich recht gehabt, dass sein Freund ein Mädchenschwarm war. Na super. Sie schob die Augenbrauen zusammen, und dann wandte sie auch den Blick von Raffaello ab.
„Hast du Hunger?“, fragte er sie plötzlich und Leslie drehte sich wieder zu ihm um.
„Nein“, sagte sie, obwohl sie spürte, wie sehr ihr Magen knurrte.
„Du hast nie Hunger, kann das sein?“, fragte er und musterte sie von oben bis unten. Das hatte ihr gerade noch gefehlt. Gleich wird er eine Bemerkung zu meiner dürren Figur machen, dachte sie mürrisch und fühlte sich in dem eng anliegenden Top und dem Rock plötzlich schrecklich. Wie ein Skelett. Sie hätte Schlaghosen anziehen sollen und ihre weite Bluse.
„Das Top gefällt mir“, bemerkte Raffaello und lächelte. Kein Macholächeln dieses Mal, sondern ungewohnt ernsthaft. Scheinbar schien es ihn überhaupt nicht zu stören, dass sie nicht in schicker Abendgarderobe aufgetaucht war. Sie schwiegen.
Leslie blickte sich um. So viele Menschen in einem Garten. Es war fast gruselig, wie viel Platz hier war. Die Musiker auf der Bühne spielten irgendeinen Tanz, den sie nicht kannte, und dann sah sie, wie Mario Andolini auf seinen langen Beinen zu dem Dirigent schritt und einige Worte mit ihm wechselte. Raffaello schien das ebenfalls bemerkt zu haben, denn er wandte sich Leslie zu und verdrehte genervt die Augen.
„Pass auf!“, zischte er ihr leise zu. „Er wird gleich eine seiner berühmten Geburtstagsreden für mich halten.“ Aber er lächelte und Leslie schätzte, dass er es gar nicht mal so schlimm fand, wenn Mario etwas über ihn erzählte, das alle hören konnten. Vorausgesetzt, es war etwas Positives natürlich.
„Macht er das denn immer?“, fragte sie.
Raffaello nickte. „Hm“, machte er. „Was nicht immer so angenehm ist. Glaub mir, bei Marios Humor!“ Beinahe musste Leslie grinsen.
Und schon beendete das Orchester den Tanz und räumte die Bühne für Mario Andolini, der groß und hager im schicken schwarzen Anzug vor das Mikrofon, das man ihm hingestellt hatte, trat und die Menge überblickte. Er begann seine Rede und Leslie wusste nicht, was sie erwartet hatte – er sprach Italienisch. Natürlich. Sie verstand kein Wort. Plötzlich merkte sie, wie Raffaello sich zu ihr hinüberbeugte. Er rückte ihr eindeutig zu nahe auf die Pelle. Sie machte sich so schmal, wie irgend möglich, aber das änderte nichts an der Tatsache, dass sein Arm ihren berührte. Sie verschränkte beide Arme vor der Brust.
„Er erzählt gerade davon, wie er mich kennengelernt hat“, raunte Raffaello ihr zu und Leslie war ihm dankbar, dass er sich daran erinnert hatte, dass sie kein Italienisch sprach.
„Weiß ich schon“, sagte sie und grinste. „Hat er mir auf der Herfahrt erzählt.“
Er lächelte gequält. „Na, dann weißt du sicher auch schon über die peinliche Aktion mit der aufgerissenen Hose Bescheid“, bemerkte er und Leslie nickte.
„ Jep “, sagte sie. Eine Weile lauschten sie beide wieder Marios Worten.
„Jetzt sagt er, wie toll es ist, dass ich achtzehn geworden bin und … Moment, das übersetze ich dir lieber nicht.“ Er grinste peinlich berührt, was Leslie nur umso neugieriger machte, aber sie hielt den Mund.
„Er freut sich, dass er mein Freund sein darf und dass ich meine Zukunft und Volljährigkeit sinnvoll nutzen soll, meiner Familie keine Schande bereiten soll und der letzte Satz eben war, dass er jetzt Musik von ‚heute‘ abspielen wird und ich mir … ein Mädchen zum Tanzen aussuchen soll.“ Ein Schatten huschte über sein Gesicht.
„Na toll“, fügte er leise hinzu, und bevor Leslie richtig begriff und aufnehmen konnte, was er alles zu
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