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Zwischen Olivenhainen (German Edition)

Zwischen Olivenhainen (German Edition)

Titel: Zwischen Olivenhainen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Wirthl
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Menschen. Immer mehr strömten darauf zu, nachdem Raffaello die Tänze, die nun folgten, eröffnet hatte. Fast alle Songs, die nun abgespielt wurden, kannte Leslie, aber Gott sei Dank schien Raffaello nicht vorzuhaben weiter mit ihr zu tanzen, denn er steuerte geradewegs auf den runden, relativ kleinen Tisch, der im Schatten eines alten Olivenbaumes stand, zu und Leslie fragte sich, wo die alten Männer in den grauen Anzügen waren, die vorhin noch dort gesessen hatten. Raffaello rückte Leslie ganz vornehm einen Stuhl unter den Hintern und ließ sich dann selbst ihr gegenüber nieder.
    Da saß er nun, blickte sie an und schien darauf zu warten, dass sie etwas sagte, aber ihr fiel beim besten Willen nichts ein, was sie ziemlich ärgerte. Außerdem konnte er doch das Gespräch genauso gut beginnen. Also schwiegen sie eine Weile und Leslie musterte die Leute, die ein Stück weiter von ihnen entfernt an den langen Tischreihen saßen und sich unterhielten. Manche lächelten ihr recht freundlich zu, andere sahen gleich wieder weg, und als ihr Blick auf die fünf Grazien fiel, wichen diese ihrem Blick aus, fast eingeschnappt und Leslie wollte den Gedanken, dass sie wütend auf sie waren, weil Raffaello mit ihr getanzt hatte und nun bei ihr am Tisch saß, einfach nicht in ihren Kopf lassen. Glatter Unsinn, dachte sie mürrisch. Dann blickte sie fast unbeabsichtigt auf Raffaellos Schuhe unter dem Tisch und sofort fühlte sie sich schrecklich.
    „Tut … mir wirklich leid wegen deiner Schuhe“, brachte sie vorsichtig hervor und linste durch den dichten Vorhang aus ihren Haaren zu ihm herauf. Beinahe sah er erstaunt aus, als er ein Bein unter dem Tisch hervorzog und seinen zerkratzten Schuh musterte, der vorher noch geglänzt hatte. Er begutachtete auch seinen anderen Fuß und dann stahl sich ein Lächeln auf sein Gesicht.
    „Ach, das macht nichts“, sagte er. „Ich habe noch genug andere.“ Trotzdem schwieg Leslie zerknirscht. Außerdem hatte sie ein seltsam flaues Gefühl im Magen, seit Raffaello ihr so nahe gekommen war und diese für ihn ungewohnten Worte zu ihr gesagt hatte. Sie begriff genau, was er damit meinte, als er von dem ‚Moment‘ sprach. So etwas, das wie in Zeitlupe passiert, dachte sie, und nur ganz kurz andauert, aber hinterher ist alles anders. Irgendwie.
    „Du kannst ziemlich gut tanzen“, sagte sie irgendwann und lächelte gequält.
    „Kann sein“, entgegnete er. „Meine Mutter hat mich mit dreizehn dazu gebracht, es zu lernen. Als ich siebzehn wurde, habe ich mich endlich getraut, ihr zu gestehen, dass ich es nicht länger aushalte. Ab und zu habe ich auch die Stunden geschwänzt.“ Er grinste. „Aber du bist auch nicht schlecht.“
    Das war eine reine Höflichkeitsfloskel, schätzte Leslie. Er konnte das nicht ernst gemeint haben. War sie ihm nicht am laufenden Band auf die Schuhe getreten? Hatte er ihr nicht erst noch sagen müssen, wo sie ihre Hände hinlegen musste und dass der Song ein Discofox war? Lächerliche Höflichkeit, dachte sie.
    „Ach?“, entgegnete sie. „Und was ist mit deinen Schuhen? Ich kann nicht tanzen, sprich es doch einfach aus.“ Er sah plötzlich sehr ernst aus.
    „Möglich, dass man an deinem Stil noch einiges verbessern könnte“ – und wieso brachte sie dieser Satz, der so voll und ganz der Wahrheit entsprach, jetzt so in Weißglut? – „aber was ich meinte, war, dass es mir wirklich Spaß gemacht hat, mit dir zu tanzen. Ich glaube, eine andere Tänzerin hätte ich gar nicht gewollt.“ Die Wut blieb Leslie im Hals stecken. Wie er das gesagt hatte, klang es so aufrichtig, fast wie ein ernst gemeintes Kompliment. Es war an der Zeit, dass sie umgehend das Thema wechselte. Länger würde sie sein seltsames, ungewohntes Verhalten nicht mehr aushalten können.
    „Was hast du eigentlich alles zum Geburtstag bekommen?“, fragte sie ihn dann.
    „Oh, ich schätze, wenn du die ‚Madonna‘ protzig findest, willst du das gar nicht wissen“, entgegnete er grinsend und mit einem Mal war er wieder der Alte, was Leslie ungemein beruhigte. Sie zuckte die Schultern.
    „Wird mich schon nicht vom Hocker reißen, oder?“
    „Du willst es wirklich wissen?“ Sie nickte, aber plötzlich war sie ein wenig verunsichert. Himmel, was konnte denn so schlimm sein, dass er es so hinauszögerte, es auszusprechen?
    „ Va bene “, sagte er, „ich habe ein neues Auto bekommen. Naja, nicht direkt neu.“ Er grinste. „Es ist ein Oldtimer, ein Ferrari. Nicht mehr

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