Zwischen Olivenhainen (German Edition)
zurück nach Schottland fliegen. Das war einigermaßen vernünftig, fand sie. Sie nickte. Ein leises Lächeln trat auf Antonios Gesicht.
„ Grazie “, sagte er leise. Und dann verrutschte ihm das Lächeln. Auf der Stelle. Entsetzt blickte er über ihre Schulter.
„Nein, Leslie hat morgen schon etwas vor.“ Raffaellos Stimme ließ ihr das Blut in den Adern gefrieren. Er hatte Italienisch gesprochen, aber das hatte sie verstanden. Sie drehte sich um. Ganz langsam und als sie ihn da stehen sah, herausgeputzt wie eh und je, in einem hellgrauen Anzug, dem schwarzen Haar, das ihm wirr ins Gesicht fiel, beschleunigte sich ihr Puls so sehr, dass ihr schwindelig wurde. Und dann schlecht. Aber nur ganz kurz. Und gleich darauf hatte sie sich wieder unter Kontrolle. Sie war nicht imstande, auch nur einen Ton herauszubringen. Der Blick, mit dem Raffaello Antonio musterte, ließ sie unwillkürlich einen Schritt zur Seite treten, weg von Antonio, der noch immer wie vom Donner gerührt dastand. Irgendwann fand er seine Sprache wieder und er warf Raffaello einen vernichtenden Blick zu. Die beiden wechselten einige Worte auf Italienisch, der harte Unterton in Raffaellos Stimme ließ Leslie eine Gänsehaut über den Rücken rieseln. Er schien nicht gerade freundlich zu Antonio zu sein, denn gleich darauf nickte dieser ihm knapp zu, murmelte: „ Scusi , Leslie. Arrivederci “ und ging mit großen Schritten an ihr und Raffaello vorbei und verschwand im ‚Conte‘ .
Durch die Scheibe konnte Leslie sehen, wie er im Raum hinter dem Tresen verschwand und dann fiel ihr Blick auf die beiden erschrockenen und verwirrten Gesichter von Anne und Melissa, die neugierig zu ihnen herüber schielten. Leslie wagte es nicht, Raffaello anzusehen. Vielleicht träumte sie ja nur? Als sie doch zu ihm hinschaute, wirkte er so real wie eh und je. Er warf Anne und Melissa einen kurzen Blick zu, seufzte genervt und dann sah er Leslie an. Ihr Herz machte einen Hopser, als sie seinen tiefbraunen Augen begegnete. So fühlte es sich also an, ihn wieder zu sehen. Seltsamerweise war da kaum Freude, nur eine riesige Portion Unsicherheit.
„Leslie, kommst du bitte kurz mit?“, sagte Raffaello ernst. „Ich würde mich gerne unter vier Augen mit die unterhalten.“ Er nickte mit dem Kopf in Richtung Anne und Melissa, die das Geschehen mit gespannten Gesichtern verfolgten, wie im Kino. Er hielt ihr seine Hand hin.
„Jetzt mach schon, es ist wichtig“, drängte er. Leslie zögerte. Dann ergriff sie seine Hand. Und jetzt war es da, das freudige Gefühl, ihn wieder zu sehen. Unwillkürlich musste sie lächeln, als er sie an der Hand hinter sich herzog.
Die Seitengasse, in die er sie führte, lag im Schatten. Jetzt sah er doch unwirklich aus, in seinem hellen Anzug und dem blütenweißen Hemd. Raffaello sah sie an, sein Blick war weicher geworden, seine Miene nicht mehr so wütend verzerrt.
„Hi“, hauchte Leslie. Seine dichten Brauen schoben sich zusammen.
„Was?“, sagte er.
„Das … war eine Begrüßung“, sagte sie leise. „Das macht man normalerweise so, wenn man sich seit ein paar Tagen nicht gesehen hat und sich dann …“, ganz kurz versagte ihr die Stimme, „… zufällig wieder trifft.“ Sie schluckte. Ein Lächeln stahl sich auf sein Gesicht, dann trat er einen Schritt auf sie zu. Leslie wich an die Hauswand zurück. Seine Sonnenbrille steckte an seiner Jackentasche.
„Ich … hab’ auch eine“, krächzte sie und versuchte, den Kloß in ihrem Hals herunterzuschlucken. Sie tippte an seine Sonnenbrille. Er lachte leise auf, doch dann wurde er schlagartig wieder ernst. Gott, er sah sie an, als wollte er sie hypnotisieren. Was war nur los mit ihm?
„Ich dachte, du bist in Rom?“, sagte sie.
„Es hat sich die Möglichkeit für mich ergeben, auf dem schnellsten Weg zurückzukommen“, entgegnete Raffaello. „Mein Vater war nicht begeistert, aber ich hatte gehofft, du wärst es.“
„Oh“, machte sie und senkte den Blick, doch er fasste sie unter dem Kinn und so musste sie ihm zwangsweise doch in die dunklen Augen blicken. Sie drückte sich noch enger an die Wand. So viel Nähe fand sie äußerst unangenehm. In seinem Fall verwirrend.
„Kannst du das lassen?“, nuschelte sie und schielte auf seine Hand hinunter. Er strich ihr kurz mit dem Daumen über die Wange, was sie sogleich zusammenzucken ließ, dann nahm er seine Hand von ihrem Kinn.
„Dieser Kellner geht mir gehörig auf die Nerven“, knurrte er.
„Tut er
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