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Zwischen Olivenhainen (German Edition)

Zwischen Olivenhainen (German Edition)

Titel: Zwischen Olivenhainen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Wirthl
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abzulenken. Doch Leslie schüttelte den Kopf und ließ sich auf der Kante ihres Bettes nieder.
    „Und was hältst du von einem Spaziergang? Wir könnten uns den Sonnenuntergang ansehen … nachher vielleicht.“
    „Nein“, sagte Leslie. Nicht im Hafen. Auf keinen Fall wollte sie mehr dort hin. Anne setzte sich neben sie und musterte sie ratlos.
    „Ins ‚Conte‘ ?“
    „Nein!“ Bloß nicht dahin. Ihr wurde schon wieder schlecht.
    „Willst du hier versauern bis morgen?“, fragte Anne. Morgen ging es nach Hause. Zurück nach Schottland. In die Kälte. In den Regen. Sie wusste nicht, ob sie sich darauf freuen sollte.
    „Ich versauer nicht“, murrte Leslie. Tu ich doch, dachte sie, aber ihr fiel beim besten Willen nichts ein, das sie hätte tun können, außer über Raffaello nachzudenken.
    „Er ist wie ein Virus“, sagte sie dann.
    „Was? Wer? Ach so – Er !“ Anne begriff. „Verdammt, Leslie! Hör-auf-an-ihn-zu-denken!“ Bei jedem einzeln betonten Wort rüttelte Anne sie an beiden Schultern. Der dicke Haarknoten in Leslies Nacken löste sich und ihre langen Haare fielen ihr zerzaust ins Gesicht. Sie strich sie nicht hinter die Ohren. Jetzt war es besser, sich dahinter zu verstecken. Da strich Anne sie ihr aus dem Gesicht.
    „So“, sagte sie mit fester Stimme, „du kommst jetzt mit, ob du willst oder nicht!“ Sie zog Leslie am Arm vom Bett hoch.
    „Wohin?“, maulte Leslie. Sie hatte zu nichts Lust. Nur zum Trübsalblasen. Anne hatte in der Zwischenzeit ihren Kleiderschrank aufgerissen und warf Leslie ein kurzes, schwarzes Kleid, eine Jeansjacke und ihre silbernen Riemchensandalen, die ein klein wenig Absatz hatten, aufs Bett.
    „Und meine Kette leihe ich dir auch!“ Anne legte Leslie ihre Silberkette mit dem winzigen Totenkopfanhänger um den Hals. Leslie mochte keine Totenköpfe. Aber sie hatte immer so getan, als fände sie Annes Kette schön, um sie nicht zu kränken. Shit happens.
    „Los, zieh dich um! Wir gehen aus!“, verkündete Anne mit einem fröhlichen Glitzern in den blauen Augen. Shit happens again.
    „Ich mag aber nicht“, entgegnete Leslie, doch sie zog sich das T-Shirt über den Kopf und pfefferte es in die Ecke neben dem Kleiderschrank.
    „Brav“, sagte Anne zufrieden, dann verschwand sie hinter der Tür des Schrankes und wühlte in dessen Tiefen nach einem passenden Outfit für welchen Anlass auch immer. Widerwillig zog sich Leslie das schwarze Kleid mit Spaghettiträgern über den Kopf. Es war viel zu kurz, fand sie. Sie zog kurz in Erwägung, ihre Sandalen anzuziehen, doch dann entschied sie sich dagegen – Anne zuliebe. Anne tauchte hinter der Schranktür auf – oh Wunder! – in einem langen, blauen Rock und einer weißen Bluse. Das war ungewöhnlich elegant für Annes sonstigen Geschmack.
    „Himmel, wie siehst du aus?!“, entfuhr es ihr und schnell machte sie sich daran, Leslies verlaufenes Make-up wieder herzustellen.
    „Du solltest deinen Kussmund betonen“, nuschelte Anne zwischen ihren Zähnen und dem Puderpinsel, den sie sich in den Mund geklemmt hatte, hervor, während sie Leslie mit einem roten Lippenstift die Lippen anmalte. Er roch eklig süß nach künstlichen Erdbeeren. Widerlich.
    Melissa beneidete Anne oft wegen ihrer Schminkkünste, dabei hielt Anne eigentlich nichts davon, und als sie Leslie nun vor den großen Spiegel schob, der gleich neben der weißen Kommode neben der Tür hing, brachte sie einige Sekunden kein Wort hervor.
    „Das bin nicht ich“, sagte sie dann trocken. Was hatte Anne aus ihr gemacht?! Ihre Lippen waren knallrot, die Wimpern lang und tiefschwarz getuscht. Leslie schluckte.
    „Oh Gott, Anne, was soll das?“
    „Du siehst toll aus! Das willst du bloß nicht einsehen.“ Anne stand neben ihr und grinste stolz.
    „Jetzt nur noch die Haare hochstecken …“ Sie griff in Leslies lange Mähne. Leslie ließ es über sich ergehen und plötzlich musste sie sich eingestehen, dass Anne tatsächlich gute Arbeit geleistet hatte, als sie ihr noch die passenden Ohrringe zu der Totenkopfkette an die Ohren steckte.
    „Fertig“, sagte sie zufrieden, „lass uns gehen, packen können wir später immer noch.“
    „Wohin denn?!“, wollte Leslie nun endlich wissen. Sie hasste Überraschungen. Doch Anne zog sie nur grinsend zur Tür.
    „Was hast du Melissa gesagt?“, fragte Leslie Anne, als sie kurze Zeit später die Straße hinunterschlenderten.
    „Dass wir Geld brauchen und sie sich einen schönen Abend mit ihrem Vater machen

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