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Zwischen Olivenhainen (German Edition)

Zwischen Olivenhainen (German Edition)

Titel: Zwischen Olivenhainen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Wirthl
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sich ein wenig abzulenken.
    Anne zuckte die Schultern. „Hat sich so ergeben“, sagte sie und lächelte unschuldig. „Wie geht es dir?“, fragte sie dann und musterte Leslie aufmerksam. „Du siehst frischer aus, als vorhin.“
    Leslie versuchte zu lächeln – es gelang ihr ganz gut. Wahrscheinlich lag das an der Umgebung und daran, dass Anne ihre beste Freundin war. Sie studierte die Karte für den Nachtisch. Lecker hörten sich die Speisen ja an, aber wahrscheinlich waren sie schrecklich süß.
    „Anne?“, fragte sie. „Willst du –“, doch sie sprach nicht zu Ende. Hielt mitten in der Bewegung inne. Mit einem Mal war ihr eiskalt. Jemand sprach am Tisch hinter ihnen. Auf Englisch. Leise, aber vernehmlich:
    „Nein, Mr. Jones, ich denke nicht, dass wir eine Zusammenarbeit mit dieser … Firma vereinbaren können.“ Leslie erstarrte. Sie kannte diese Stimme. Sie würde sie unter tausend anderen erkennen, egal ob er nun Englisch oder Italienisch sprach. Ein Schauer lief ihr über den Rücken.
    „Was ist denn los, Leslie?!“, entgegnete Anne alarmiert. Leslie legte den Zeigefinger auf die Lippen.
    „Halt die Klappe“, zischte sie. Das Herz raste ihr bis zum Hals, und als sie sich ganz langsam umdrehte, wie in Zeitlupe, und seinem Blick begegnete, setzte es für Sekunden aus. Ihr wurde schwindelig. Dann schlecht. Er sah genauso erschrocken aus, wie sie. Scheiße, dachte sie, Scheiße! Sie stand von ihrem Stuhl auf, ihre Beine zitterten. Wohin? Hektisch sah sie sich um. Bloß weg hier. Anne blickte verwirrt zu ihr auf.
    „Leslie!“, zischte sie. „Was ist?“
    „Ich muss ganz dringend auf die Toilette“, brachte Leslie stockend über die Lippen. Ihr wurde schlecht. Furchtbar schlecht, noch während sie auf die Klotür neben der Garderobe losstürmte. Virus, dachte sie panisch, Raffaellovirus! Sie musste würgen. Sie hasste ihn. Hektisch riss sie eine der Klotüren auf und übergab sich in die Toilettenschüssel. Es kam nicht viel hoch, nur Tränen. Sie hasste sich dafür, dass sie anfing, hemmungslos zu heulen. Schnell drehte sie den Schlüssel in der Tür herum, lehnte sich erschöpft gegen die kühlen, weißen Fliesen an der Wand.
    Was machte er hier? Warum musste sie ihm immer wieder begegnen? Wahrscheinlich waren es Geschäfte, die ihn hierher zogen. So jedenfalls hatte es geklungen. Kläglich dachte sie daran, dass sie ihn hatte vergessen wollen – dass ihr das mit Annes Hilfe sogar beinahe gelungen war, zumindest für heute. Sie putzte sich die Nase mit einem Stück Klopapier. Die Fliesen an ihrem Rücken waren kalt. Ihre Jacke hatte sie bei Anne gelassen. Sie schniefte und hielt sich den Bauch, denn irgendwo dort zog sich auf einmal alles krampfhaft zusammen. Sie lehnte den Kopf gegen die Wand und schloss die Augen. Sie dachte an seinen Namen und da liefen ihr schon wieder die Tränen über die Wangen.
    „Leslie?“ Verflucht, das war Anne. Panisch riss Leslie ein langes Stück Klopapier vom Halter und versuchte, sich die Augen zu trocknen. Vergeblich.
    „Leslie? Bist du da drin?“, rief Anne besorgt. Leslie schwieg. Wartete. Aber Anne blieb.
    „Leslie, verdammt!“ Jetzt hämmerte sie gegen die Tür. „Mach auf! Ich weiß, dass etwas nicht stimmt und ich weiß, dass du da drin bist!“ Leslie rührte sich nicht.
    „Jetzt mach die verfluchte Tür auf!“ Zögernd streckte Leslie die Hand aus und tastete nach dem Schlüssel. Sie drehte ihn im Schloss herum. Klack. Die weiße Tür sprang auf und Anne schoss zu ihr in die Kabine, als hätte sie Angst, Leslie könne sich die Pulsadern aufgeschlitzt haben. Sie schloss hinter sich wieder ab. Dann musterte sie Leslie entsetzt.
    „Was ist denn … mit dir passiert?!“, entfuhr es ihr. „Sag mal, hast du dich übergeben …?!“ Sie wurde etwas blass um die Nase.
    „Dein Make-up! Meine arme Leslie“, sagte sie, nahm sie in den Arm und drückte sie ganz fest. Leslie schnappte nach Luft. Es tat gut, doch sie löste sich aus Annes Umarmung.
    „Er ist hier“, sagte sie. Viel zu leise. Sie bezweifelte, dass Anne sie überhaupt gehört hatte. Aber das hatte sie.
    „Er? Dieser Raffaello?“
    Leslie nickte und zog undamenhaft die Nase hoch. „Er sitzt direkt am Tisch gegenüber – du müsstest ihn sehen können von deinem Platz aus, weil du genau in seine Richtung siehst.“ Anne legte die Stirn in Falten.
    „Da sitzen ein paar wichtig aussehende Männer in Anzügen“, entgegnete sie. „Sicher, dass er dabei war?“
    „Ja,

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