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Zwischen Rom und Mekka

Titel: Zwischen Rom und Mekka Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz-Joachim Fischer
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fundamentalistischen Kräfte innerhalb des Islam gestärkt werden.
    Noch mehr: Durch den Besuch des Königs sei es möglich, so wurde im Vatikan referiert, nicht nur einen Dialog über streng
religiöse Fragen zu führen, sondern auch Probleme zu erörtern, die sich angesichts der Rolle und der Bedeutung der Religion in der modernen Gesellschaft stellten. Es biete sich die Chance, Spannungen abzubauen, die aus religiösem Extremismus herrührten.

Sensationeller Qualitätssprung
    Damit könnte ein sensationeller Qualitätssprung in den Beziehungen gelingen. Unter dem Patronat des Papstes. Bisher sprachen die Verantwortlichen des Dialog-Rats und der Sonder »Kommission für die religiösen Beziehungen zu den Muslimen« über Religiöses und fanden bei gutem Wetter viel Schönes heraus, das beiden Religionen gemeinsam ist, vom Stammvater Abraham über den einen barmherzigen und gnädigen Gott bis zu edlen Werten. Über Politik und eine zeitgemäße Ordnung der Gesellschaft sprach man dabei jedoch nicht . Nun geht es auch um Religion und Politik.
    So bekräftigte der Papst in der traditionellen Ansprache an die Mitglieder der Römischen Kurie kurz vor Weihnachten, am 21. Dezember 2007, auch die Chancen eines »Dialogs in Frieden« mit dem Islam und erklärte grundsätzlich: »Der [Christen und Muslimen] gemeinsame Glaube an die Existenz eines einen Gottes, der weiser Schöpfer ist und der universale Richter über das sittliche Verhalten eines jeden Menschen, bildet die Voraussetzung für gemeinsames Handeln in der Verteidigung eines wirklichen Respekts vor der Würde einer jeden menschlichen Person und für den Aufbau einer gerechteren und solidarischen Gesellschaft.«
    Dass man bei all dem nicht sofort die Sensation witterte, hatte mehrere Gründe. Der wesentliche Inhalt des Prinzenbriefes wurde in der Ruhe des Weihnachtsfestes 2007 fast unter Ausschluss der Öffentlichkeit von Radio Vatikan so nebenbei veröffentlicht. Dabei bereitete man sich in Rom bereits in aller Stille darauf vor, in den vatikanischen Ämtern und an der Gregoriana-Universität. Aber man wusste, dass viel auf dem Spiel stehen würde. Man wollte nicht durch vorlautes Geschrei
die Reaktion von Extremisten wecken und mögliche gute Ergebnisse gefährden. Hinzu kam ein banaler Mediengrund: Der »Brief der 138« Mitte Oktober und das päpstliche Antwortschreiben fanden nicht die gebührende Aufmerksamkeit, weil beim ersten Termin vom Papst die Liste der neuen Kardinäle bekannt gemacht, beim zweiten die neue Enzyklika über die Hoffnung verkündet wurde.
    Nun tasteten die katholischen Experten ab, wie weit Muslime von dem Kant’schen Grundsatz entfernt sind, dass eine Religion auf Dauer nicht gegen die menschliche Vernunft bestehen könne. Auch ob sie die verschiedenen Aussagen im Koran über das Verhältnis zu den Ungläubigen - mal freundlich, wenn schwach, mal gewalttätig, wenn stark - zu klären suchen. Im Vatikan fürchtete man, dass diese Unterscheidung von orthodoxen Muslimen als Skandal empfunden würde. Die päpstliche Koranexegese könne zurückgewiesen werden, würde aber so oder so neue Fragen nach sich ziehen. Oder: Wie lange könne man im Islam eine Tabuisierung des Koran aufrechterhalten? Weil eine zu gründliche Beschäftigung mit dem Koran mehr Fragen aufwirft, als sie beantwortet, und sie zudem die Autorität der muslimischen Schriftgelehrten erschüttert oder zersplittert?

Unstimmigkeiten innerhalb des Islam
    Innerhalb des Koran bestehen, so scheint es, für die unbefangene Vernunft Sperrigkeiten, teilweise Widersprüche. Diese werden, so muss man wohl für die Zukunft vermuten, kaum auf ewige Zeiten von tradierten Deutungen aufgefangen werden können. Die offenkundigen Unstimmigkeiten würden dahin führen, dass der Koran wohl nur noch befristet für ein unantastbares Buch aus göttlichem Diktat gehalten wird. Die Bibel gilt nach jüdisch-christlichem Verständnis, das muss wiederholt werden, als »inspiriert«. Vom »Hauch des Heiligen Geistes angeregt«, »Divino afflante Spiritu«, wie die betreffende Enzyklika Pius’ XII. von 1943 überschrieben ist; das lässt Raum für Interpretationen, autorisierte oder nicht. Die Sperrigkeiten,
Spannungen und Spaltungen innerhalb des Islam, in der Vergangenheit wie heute - trotz eines erstaunlichen Einheitsgefühls aller Muslime - werden wohl ebenso befragt, bezweifelt, gedeutet und vielleicht auch verhöhnt werden, wie dies in der geisteswissenschaftlichen Bibelkritik, einer boshaften

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