Zwischen Rom und Mekka
Religionsdemontage und einer historischen Religionsbeschimpfung aus dem Geist einer feindlichen Aufklärung geschah. Das münde ein in die noch größere Herausforderung, dass unvermeidlich das Verhältnis zwischen Koran und der Moderne, dem Islam und der Gesellschaft des 21. Jahrhunderts neu bestimmt werden müsse. Könnte vielleicht gar Benedikt, der als Theologe dem Verhältnis zwischen Glaube und Vernunft, zwischen Christsein und moderner Gesellschaft einen Großteil seines theologischen Lebenswerkes gewidmet hat, als Papst dem Islam helfen, seinen Weg in die Moderne zu finden? Fragen über Fragen - und noch keine Antwort.
Kapitel 29
Schiiten und Sunniten im Vatikan - Intellektuelle in der Gregoriana
Nun ging es voran. Mit der Verbesserung des Klimas in den Beziehungen zwischen Rom und Mekka. Am 7. Januar 2008 zog Benedikt in der Neujahrsansprache an das beim Heiligen Stuhl akkreditierte diplomatische Korps eine freundliche Bilanz des interreligiösen Dialogs. »Die katholische Kirche ist hier stark engagiert«, erklärte der Papst und erwähnte »gern« den »Brief der 138« und deren »edle Gedanken darin«. Die diplomatischen Beziehungen mit den Vereinigten Arabischen Emiraten seien sogar schon »in einem familiären Geist« aufgenommen worden.
Offensichtlich ging es dem Papst im Dialog jedoch nicht darum, für sich und die Christen, den Islam besser kennenzulernen und vielleicht gar die eine oder andere Anleihe bei ihm aufzunehmen. Er wandte sich strikt gegen jeglichen Relativismus und Synkretismus, gegen einen Dialog, der weder das andere noch das eigene so ganz wichtig nimmt und zur Vermischung bereit ist. Der Dialog soll noch mehr und vornehmlich neue Felder jenseits des eigenen Religionsgeländes aufdecken: »die Würde der menschlichen Person, die Suche nach dem Gemeinwohl, den Aufbau des Friedens und die Entwicklung«, wie der Papst sagte. Der Dialog zwischen den Religionen und Kulturen hat nicht religiöser Selbstbefriedigung zu dienen. »Um echt zu sein, muss dieser Dialog klar sein, von einem ehrlichen Respekt für die anderen und von einem Geist der Versöhnung und der Brüderlichkeit beseelt.«
In diesem Sinn konnte der Dialog-Rat unter Kardinal Tauran
Erfolge vorweisen. Schon Anfang März 2008 legte er sich öffentlich auf das erste Seminar des neuen Katholisch-Muslimischen Forums vom 4. bis zum 6. November 2008 fest. Nach welchen Kriterien die Auswahl erfolgte, ist bei den Vertretern der Kirche ziemlich klar, bei jenen der Moschee jedoch ein Geheimverfahren, das Ergebnis langer diskreter Beziehungsarbeit des »Rates«, stets unter der Maxime, Konflikte zu vermeiden - so drückt es der verantwortliche Monsignor Akasheh, »Head Officer for Islam« im Rat, mit unergründlichem Lächeln im Gespräch aus. Diese Arbeit ist der Dialog, den man nicht hört und sieht, der nicht in die Öffentlichkeit dringt und dennoch oder gerade deswegen vorankommt.
Ungewöhnliche Erfolge
Dann jedoch, Ende April, konnten Katholiken und Muslime im Vatikan der Öffentlichkeit einen ungewöhnlichen Erfolg vorzeigen, nach fleißiger Vorarbeit. Nach dreitägigen Beratungen »in offener und freundlicher Atmosphäre« mit Vertretern des »Zentrums für Interreligiösen Dialog der Organisation Islamischer Kultur und Beziehungen« in Teheran sprachen die vatikanischen Experten und die beteiligten muslimischen Autoritäten von einem »zufriedenstellenden« Ende.
Das konnte sich sehen lassen. Ein offizielles gemeinsames Kommuniqué des Päpstlichen Rates und des Teheraner Zentrums zählte sieben gemeinsame Grundsätze auf, darunter jene zwei zentralen: dass »sich Glaube und Vernunft niemals widersprechen können«, dass Glaube und Vernunft »nie zur Legitimierung von Gewalt missbraucht werden dürfen«. Dass dies gemeinsam von katholischen Kirchenführern und noch mehr von muslimischen Autoritäten mit ihrer Unterschrift besiegelt wurde, galt in Rom als »religionspolitisch sensationell« und »theologisch revolutionär«. Nicht der Inhalt, sondern die Einigung mit Unterschrift.
Kardinal Tauran verhandelte im Auftrag des Papstes, natürlich. Der Präsident der offiziellen Teheraner Dialog-Organisation, Mahdi Mostafavi, konnte nicht ohne Rückendeckung der
iranischen Staatsführung und Glaubensbehörden ge- und verhandelt haben. Mostafavi kommt eine repräsentative Bedeutung für die gesamte Milliardengemeinschaft des Islam selbstverständlich nicht zu. Dem stehen schon die Spaltung der Muslime in Sunniten und Schiiten
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