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Zwischen Rom und Mekka

Titel: Zwischen Rom und Mekka Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz-Joachim Fischer
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Ratzinger, der im April 2005 Papst geworden war, im Sommer darauf seine ehemaligen Schüler, frühere Doktoranden und nun wohlbestallte Gelehrte, in die päpstliche Sommerresidenz nach Castel Gandolfo eingeladen, um mit ihnen drei Tage lang das Großthema Islam, das Verhältnis zwischen Kirche und Moschee akademisch zu verhandeln. Was bei dieser professoral-päpstlichen Sommerakademie als Ergebnis herauskam, wie aus den Ansichten verschiedener Religionsexperten, Theologen mit historischen Fachkenntnissen unter höchster Aufsicht, gesicherte gemeinsame Einsichten wurden, unterliegt strenger Vertraulichkeit. Es sollte nicht aus Benedikts Intellektuellenwerkstatt geplaudert werden! Dennoch geht man
wohl nicht fehl mit der grundsätzlichen Einschätzung, dass sich die Teilnehmer in der Mehrheit nach diesem Brainstorming keinen Illusionen über die Dialogfähigkeit des Islam insgesamt hingaben. Lange vor Regensburg.
    Denn, so die Analyse, ein »Aggiornamento« - ein Anpassen des Glaubens an die Notwendigkeiten der modernen Zeit, wie es die Kirche auf dem Zweiten Vatikanischen Konzil in den Sechzigerjahren für die christliche Botschaft gefunden habe, auf Geheiß Johannes’ XXIII. und unter der Autorität Pauls VI., nach langen Vorbereitungen und unter großen Wehen, Reformen nach innen und nach außen - sei bei der Lehre des Propheten äußerst schwierig. Aber man könne sich ja positiv überraschen lassen, hörte man etwas flapsig.
    Zum anderen, so vernahm man weiter vertraulich aus der Runde, habe man ein Zitat gesucht, mit dem man nun nicht wie Archimedes die ganze Welt aus den Angeln heben, aber doch schlagartig die Problematik von »Zwang in Glaubenssachen« im Islam demonstrieren könnte. Bei den Schülern gefragt, für den Papst gefunden.
    Benedikt machte sich das Zitat zu eigen. Das ganze, vollständig. Die Folgen davon - mit der Empörung in der muslimischen Welt, aber auch mit der Initialzündung für den späteren Dialog - sind bekannt und bereits hier beschrieben.

Gemeinsame Ketten und Konflikte
    Aber noch nicht beschrieben sind die historischen Voraussetzungen. Nicht die des byzantinischen Kaisers. Nicht die der Päpste. Nicht mal wenigstens ein paar Glieder jener geschichtlichen Kette, die Christentum und Islam seit 1400 Jahren aneinanderbinden, jener Konflikte, welche sich oft von latenten Bedrohungen zwischen zwei konkurrierenden Religionen zu offenen Kriegen zwischen zwei Weltkulturen steigerten. Ketten und Konflikte, die stärker sind, als man noch vor zwanzig, dreißig Jahren dachte. Wenigstens einige Personen auf der Cathedra Petri müssen in ihrem geschichtlichen Umfeld skizziert, das Grundproblem von Zwang, Gewalt und Krieg innerhalb
von Religionen, von Religiösen wenigstens kurz aufgezeigt werden.
    Einem Papst konnten die Muslime im September 2006 ein abträgliches Wort über Mohammed übel nehmen. Aber sie können schwerlich einem byzantinischen Kaiser vom Ende des 14., Anfang des 15. Jahrhunderts verübeln, dass dieser auf Mohammed und seine Anhänger, im Fall Manuels II. auf die muslimischen Türken des Osmanischen Reiches, nicht gut zu sprechen war.
    Was die Muslime erstaunlicherweise Benedikt weniger ankreideten, war, dass Päpste als oberste geistliche Herren der Kirche oder Vertreter der Christenheit im Lauf der Geschichte Kontrahenten, Widersacher, Gegner waren - wie immer man diesen Antagonismus verschiedener Religionen nennen will. Natürlich, sein mussten. Wie hätten sie es auch nicht sein können! Aber waren sie geistliche Rivalen oder Kriegstreiber des Abendlands?
    Die christliche Geistesgeschichte mit der Entwicklung der Glaubenswissenschaft (Dogmatik) und Moraltheologie zeigt, dass sich auch die Lehre der Päpste über den Krieg gewandelt hat. Die traditionellen Auffassungen von einem »gerechten Krieg« sind einer grundsätzlichen Ablehnung gewichen, nach den furchtbaren Erfahrungen der Europäer mit Kriegen, unter der Drohung einer totalen Zerstörung durch Atomwaffen und schließlich mit dem Blick auf das Leid der Menschen: Was kann gewonnen werden, wenn durch Krieg alles verloren wird? Vielleicht ist diese Einsicht auch für Muslime nicht so schnell und leicht zu erlangen.
    So ist es im 21. Jahrhundert für Europäer selbstverständlich, jedweden Krieg zu verurteilen und ihm jegliche Rechtfertigung - und zuallererst jene durch Religion - abzusprechen. Sie verabscheuen spontan Gewalt, Extremismus und Terrorismus zur Durchsetzung politischer oder anderer Ziele. Sie sind des

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