Zwischen Rom und Mekka
würdigte, aufeinander zuzugehen und das gegenseitige Verständnis zu vertiefen, oder dass die Liebe zu Gott und die Liebe zum Nächsten »das Herz von Islam und Christentum« seien.
Aber dann wurde Benedikt doch deutlicher, selbstbewusst christlicher, als er den christlichen Glauben an Jesus Christus als das endgültige Wort Gottes herausstellte: Aus Liebe habe Gott das Universum geschaffen, aus Liebe sei er in die menschliche Geschichte eingetreten. »Die Liebe Gottes wurde sichtbar, sie offenbarte sich voll und definitiv in Jesus Christus. So kam er, um den Menschen zu begegnen, und während er Gott blieb, nahm er unsere Natur an. Er gab sich selbst hin, um jedem Menschen seine volle Würde zurückzugeben und uns das Heil zu bringen.« Deshalb, so der Papst, »fordert Gott uns dazu auf, uns gemeinsam für die Opfer von Krankheiten, Hunger, Armut, Ungerechtigkeit und Gewalt einzusetzen«.
Beim Thema Gewissens- und Religionsfreiheit redete Benedikt Klartext. Es wirkte auf einige muslimische Teilnehmer wie eine kalte Dusche, als der Papst erklärte: »Die politischen und religiösen Führer haben die Pflicht, die freie Ausübung aller Rechte in vollem Respekt der Freiheit eines jeden Individuums und der Gewissens- und Religionsfreiheit sicherzustellen.« Nicht genug: »Verfolgungen«, so wörtlich, »sind unannehmbar und ungerechtfertigt und noch beklagenswerter, wenn sie im Namen Gottes geschehen.« Da brauchte niemand mehr zu fragen, welche Staaten gemeint seien. Denn nach allen internationalen Berichten steht es mit der Religions- und Gewissensfreiheit, mit der Achtung von religiösen (oder anderen) Minderheiten in muslimisch beherrschten Staaten am schlechtesten. Da hellte es bei einigen die Stimmung nur wenig auf, dass der Papst zu gemeinsamer Wohltätigkeit aufrief: »Vereinen wir unsere Kräfte, um alle Missverständnisse und Streitigkeiten zu überwinden!« Muslime und Christen, so hieß es wenigstens noch ermunternd, doch auch mit einem schmerzlichen Widerhaken versehen, Christen und Muslime »müssen zusammen daran arbeiten, den gegenseitigen Respekt für die Würde der
menschlichen Person und ihre fundamentalen Rechte zu fördern«.
Da soll einiges mehr und schneller geschehen, war die klare Forderung des Papstes. Darunter muss ein Dialog nicht leiden; er könnte sogar durch das päpstliche Wort beflügelt werden, weil die Verschleierung einer sperrigen, beklagenswerten Wirklichkeit weggerissen wurde.
Es ist noch viel Dialog notwendig
Bei einer öffentlichen Sitzung des Forums am Donnerstagabend in der Aula Magna der Gregoriana-Universität zu Rom zeigten sich sofort wieder unterschiedliche Interpretationen derselben Worte. Doch Katholiken wie Muslime werden die Worte an ihrer Umsetzung in die Praxis messen und anmahnen können. Ambivalent erschien auch die Teilnahme von Frauen am offiziellen Dialog, wie zu beobachten war. Muslimische Frauen - Kopftuch selbstverständlich - äußern sich beredt, fest in ihrem Glauben und treu zu traditionellen Ansichten. Wenn sie das Wort öffentlich ergreifen, kann das ambivalent wirken. Ob christliche Frauen im Westen sich davon angezogen fühlen, sich eher befremdet abwenden? Oder werden sie dem entnehmen, dass die Vorstellungen einer modernen Frau sich im Islam verwirklichen lassen, dass man bald Muslimas als Feministinnen erleben werde? Bei dem Empfang danach in dem großen Lichthof der Universität gab es in unzähligen Gesprächen vor allem ein gemeinsames Resümee: Es erscheint noch viel Dialog notwendig.
Teil IV
Päpstliche Theorien, historische Streiflichter, Päpste als Gegner des Islam, Spinozas Klärungen
Kapitel 31
Päpstliche Theorien
Zwang in Glaubenssachen
Warum liest der Papst Dialoge aus dem späten Mittelalter? Über die Themen Glauben und Vernunft, aber vor allem über die Verbindung zwischen Religion und Gewalt, Religiösen und Krieg? Gerade jenen, »den der gelehrte byzantinische Kaiser Manuel II. Palaeologos wohl 1391 im Winterlager zu Ankara mit einem gebildeten Perser über Christentum und Islam und beider Wahrheit führte«. So erzählte Benedikt XVI. fast beiläufig bei der Vorlesung in Regensburg, er habe einen Teil dieses Dialogs »kürzlich« gelesen; sei fasziniert und inspiriert davon gewesen. Studierte er den Text gar im griechischen Original? Zur Entspannung am Feierabend, wenn sonst alles getan ist? War Benedikt durch Zufall darauf gekommen?
So war es wohl nicht. Vielmehr hatte, so war zu hören, der Professor Joseph
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