Zwischen Rom und Mekka
Benedikt auf das heute weitverbreitete Verständnis von Religion als einer gewaltbereiten oder gewaltgeneigten Institution eingehen, um es als Missverständnis zu entlarven? Wäre dann vielleicht nur das Christentum nach leidvollen Erfahrungen friedlich geworden? Die päpstliche Schlussfolgerung lautet generell: Gewalt widerspricht der Vernünftigkeit Gottes. Gewalt ist deshalb keine Kategorie der Religion, kein Wesensmerkmal des Geistigen oder Geistlichen.
Der gemeinsame Stammvater Abraham
Vielleicht kann angesichts vieler offener Fragen über die Deutung der geschichtlichen Ereignisse die Besinnung auf Abraham helfen, jeglicher Gewalt, jedwedem Zwang in Glaubenssachen abzuschwören. Denn er gilt als der »Urstammvater« für Juden, Christen und Muslime, Abraham aus Ur im Lande der Chaldäer, dort, wo der Euphrat im Irak seinen Lauf zum Persischen Golf fortsetzt, wo es immer wieder Kriege gab. Als Stammvater vieler Völker wird dieser Abraham verehrt, als Patriarch dreier monotheistischer Religionen: des Judentums, der Christenheit und des Islam. Zudem ist er - wie es die Evangelien der Bibel nach Matthäus und Lukas auflisten - Urvater des Jesus in Bethlehem. Die Evangelisten Matthäus und Lukas müssen genaue Forschungen betrieben oder über Geheimwissen verfügt haben, um den Stammbaum Jesu, des Sohnes Davids, bis auf den Patriarchen aus Ur zurückführen zu können.
Abraham ist für Juden, Christen und Muslime das Vorbild des Glaubenden, der sich auf Gott verlässt. So, wenn er dessen persönlichen Befehl für sinnvoll hält und sich deshalb zur Auswanderung aus Ur entschließt, nach Westen Richtung Mittelmeer zum verheißenen Land. (Historisch sind Emigranten aus Mesopotamien nach Syrien und Kanaan zwischen 2000 und 1700 v. Chr. nachgewiesen.) Aber auch, wenn er an den göttlichen Ratschlüssen Jahwes, des unsichtbaren Allmächtigen, keine Zweifel hegt, schon das Messer gegen seinen Sohn Isaak hebt, doch von einem göttlichen Engel am blutigen Opfer gehindert wird.
Da fallen die entscheidenden Worte: »Weil du solches getan hast und hast deinen einzigen Sohn nicht verschont, will ich dein Geschlecht segnen und mehren wie die Sterne am Himmel und wie den Sand am Ufer des Meeres, und deine Nachkommen sollen die Tore ihrer Feinde besitzen, und durch dein Geschlecht sollen alle Völker auf Erden gesegnet werden, weil du meiner Stimme gehorcht hast.«
Streiten sich darum drei Religionen? Oder gibt es gar keinen Grund dazu?
Weil Gott der Herr mit Abraham einen universalen Bund geschlossen hat, mit der Beschneidung der Kinder männlichen Geschlechts als Zeichen. Und ihm verhieß: »Ich will dich sehr fruchtbar machen und will aus dir Völker machen, und auch Könige sollen von dir kommen. Und ich will aufrichten meinen Bund zwischen mir und dir und deinen Nachkommen von Geschlecht zu Geschlecht.« Da gehören nun viele dazu.
All dies ist nachzulesen im ersten Buch der Bibel. Aus diesem hat es wohl auch der Prophet Mohammed oder er hat es zuvor von Juden oder Christen auf der Arabischen Halbinsel gehört. So gut gefiel dem Begründer des Islam dieser Urgläubige in seinem Gottesvertrauen, dass Abraham in der 2., 3., 4., 6. und 22. Sure des Koran als der »erste Muslim« bezeichnet wird und die 14. Sure des islamischen Glaubensbuches nach Abraham (Ibrahim) benannt ist. Dort steht auch, dass Abraham Gott dafür dankt, dass er ihm in seinem hohen Alter - 99, heißt es - »noch den Ismael [von der Ägypterin Hagar] und den Isaak [von der greisen Ehefrau Sarah] gegeben hat«.
Theologen, liberale oder strenggläubige, vergleichende Religionswissenschaftler, friedliche oder engherzige, mögen da Interessantes berichten können. Sicher ist, dass die Juden als die Söhne Israels (gleich Jakobs, des Sohnes Isaaks), die Christen als die »jüngeren Brüder« der Juden und schließlich die Muslime als die Letztgeborenen alle Kinder Abrahams sind. Letztere müssen bedenken, dass Abraham viele Nachfahren hatte und dass im Koran 15 Suren und 93 Verse von Jesus, dem Gottesknecht und Kind Abrahams, handeln.
Vielleicht hätte Benedikt Abraham zitieren sollen.
Kapitel 32
Leo IV. und die Mauern des Vatikans
An der Piazza della Città Leonina
»Piazza della Città Leonina Nr. 1, 00193 Roma« lautete mehr als 23 Jahre lang die römische Adresse von Kardinal Joseph Ratzinger. Der Präfekt der Vatikanischen Glaubenskongregation, im November 1981 von Johannes Paul II. aus München nach Rom gerufen, wohnte von 1982 bis 2005 nicht
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