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Zwischen Rom und Mekka

Titel: Zwischen Rom und Mekka Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz-Joachim Fischer
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ist die zentrale politische Botschaft der Vorlesung? Sie schien mir ohne jeden Zweifel, ohne jede Ablenkung klar auf der Hand zu liegen. Der Papst rief auf zum Dialog der Religionen und Kulturen von der Grundlage des christlichen Glaubens aus, zum Verzicht auf jede Gewalt und Drohung im internationalen Zusammenleben. »Glaubensverbreitung durch Gewalt ist widersinnig; denn nicht vernunftgemäß handeln ist dem Wesen Gottes zuwider.« Das war ein Satz aus der Vorlesung, den man als Journalist getrost um die Welt schicken konnte. Dass Benedikt diesen Satz ausdrücklich auch dem Islam, der gesamten muslimischen Weltgemeinde hin- und vorgehalten hatte, würzte die Rede. Konnte das ein Stein des Anstoßes sein?
    Zudem war ich als langjähriger »Papstansprachenexperte« beeindruckt. Und als Religionsphilosoph. Von dem theologischen und sprachlichen Meisterwerk, in einer Stunde zwei Jahrtausende europäischer Kulturhistorie und christlicher Geistesgeschichte zu durchmessen. Benedikt hatte diese Doppelrolle des Papst-Theologen offenbar gefallen. Er war der Professor am Katheder, doch in Wirklichkeit der Papst auf der Cathedra Petri, dem Lehr-Thron des Apostelfürsten Petrus, jetzt in Regensburg. Dieser Papst wusste offenbar über Gott Bescheid.

    Da sprach der postmoderne Theologe, der Kirchenlehrer des 21. Jahrhunderts, der seinen Gläubigen und den Anhängern der anderen Weltreligionen und gerade denen des Propheten Mohammed die Welt und Gott entschlüsselte. Darüber hätten sie großes Wohlgefallen äußern müssen, die Gottgläubigen aus Kirche und Moschee zusammen.
    Die Anhänger des Propheten hätten dem Kirchenführer des Westens dankbar sein müssen. Schon für die Predigt am Morgen:
    »Seit der Aufklärung arbeitet wenigstens ein Teil der Wissenschaft emsig daran, eine Welterklärung zu finden, in der Gott überflüssig wird. Und so soll er auch für unser Leben überflüssig werden. Aber so oft man auch meinen konnte, man sei nahe daran, es geschafft zu haben - immer wieder zeigt sich: Das geht nicht auf. Die Sache mit dem Menschen geht nicht auf ohne Gott, und die Sache mit der Welt, dem ganzen weiten Universum, geht nicht auf ohne ihn. Letztlich kommt es auf die Alternative hinaus: Was steht am Anfang: die schöpferische Vernunft, der Geist, der alles wirkt und sich entfalten lässt, oder das Unvernünftige, das vernunftlos sonderbarerweise einen mathematisch geordneten Kosmos hervorbringt und auch den Menschen, seine Vernunft. Aber die wäre dann nur ein Zufall der Evolution und im Letzten also doch auch etwas Unvernünftiges.«
    Darüber hätten Christen und Muslime gemeinsam froh sein können.
    Andererseits gab der Papst in seiner Morgenpredigt dieser anderen Weltreligion Ratschläge, stellte er ihr unabweisbare Anfragen, die sie beantworten musste, als er von Gott als der »schöpferischen Vernunft« sprach:
    »Sie ist Güte, sie ist Liebe. Heute, wo wir die Pathologien und die lebensgefährlichen Erkrankungen der Religion und der Vernunft sehen, die Zerstörungen des Gottesbildes durch Hass und Fanatismus, ist es wichtig, klar zu sagen, welchem Gott wir glauben, und zu diesem menschlichen Antlitz Gottes zu stehen. Erst das erlöst
uns von der Gottesangst, aus der letztlich der moderne Atheismus geboren wurde. Erst dieser Gott erlöst uns von der Weltangst und von der Furcht vor der Leere des eigenen Daseins.«
    Dazu stellte Benedikt das christliche Bekenntnis: »Wir Christen glauben, dass das ewige Wort, die Vernunft am Anfang steht und nicht die Unvernunft.«
    Der christliche Gott als ein Gott über den Religionen zum Wohl des Menschen, zum Heil, zur Erlösung der Menschheit - das ist der päpstliche Gottesbegriff, den Joseph Ratzinger dann in seiner Vorlesung entfaltete und urplötzlich an der Frage, »warum Glaubensverbreitung durch Gewalt widersinnig ist«, konkretisierte. Benedikt zeigte aus alten Texten die Vernunftgemäßheit Gottes als des Logos auf und forderte deshalb einen »wirklichen Dialog der Kulturen und Religionen, dessen wir so dringend bedürfen«.
    Die moderne Gesellschaft mahnte der Papst fast als Anwalt einer universalen Weltreligion, auch im Verhältnis zum religiösen Islam:
    »In der westlichen Welt herrscht weithin die Meinung, allein die positivistische Vernunft und die ihr zugehörigen Formen der Philosophie seien universal. Aber von den tief religiösen Kulturen der Welt wird gerade dieser Ausschluss des Göttlichen aus der Universalität der Vernunft als Verstoß gegen ihre

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