Zwischen Rom und Mekka
verstanden zu werden wünschte, sondern so, wie er missverstanden werden konnte. Denn darin teilt sich noch einmal die Journalistenschar. In jene, die berichten, wie die Worte offensichtlich gemeint sind, und in jene, die voller Empörung die Worte so verstehen, wie sie politisch missdeutet werden können.
Aber noch hatte Benedikt die Vorlesung gar nicht gehalten.
Kapitel 19
Die Vorlesung von Regensburg - Momente einer Herausforderung
Unter lebhaftem, langem Beifall betrat Benedikt XVI. am 12. September 2006 um 17 Uhr die Universität in Regensburg.
Der Vatikan hatte in seinem offiziellen Programm der Papstvisite vom 9. bis 14. September 2006 in München, Altötting und eben Regensburg - mit dem Abschluss im Dom zu Freising und auf dem nahen Münchner Flughafen - für Dienstag, 17 Uhr, in der Aula Magna der Universität das »Treffen mit den Vertretern der Wissenschaft« verzeichnet und als detaillierte Punkte des Verlaufs angegeben:
1. Musikalische Einleitung
2. Begrüßung durch den Rektor
3. Ansprache des Papstes
4. Übergabe des Bildbandes, Bibelillustrationen der Regensburger Tradition
5. Eintragung in das Gästebuch der Universität
6. Musikalischer Abschluss
Gewöhnlich war so etwas nicht besonders spannend für einen Journalisten.
Dann begann der Papst-Professor Joseph Ratzinger in der voll besetzten Aula Magna seine Vorlesung mit dem Thema »Glaube, Vernunft und Universität. Erinnerungen und Reflexionen«, in aller Ruhe. So selbstsicher und seines Heimvorteils gewiss war sich Benedikt, dass er in die Einleitung sogar milde Ironie über Atheistisches einschob. Es habe damals in jener wirren
Zeit, nach »’68«, auch mal ein Kollege »geäußert, an unserer Universität gebe es etwas Merkwürdiges: zwei Fakultäten, die sich mit etwas befassten, was es gar nicht gebe - mit Gott«. Wann hatte man je einen Papst öffentlich über Atheisten spotten hören! Dazu noch bei dem Thema »Glaube und Vernunft«! Wo doch gewöhnlich die Gottlosen den Verstand und die Verspottung des Religiösen für sich beanspruchen!
Zudem als unmittelbare Vorbereitung auf einen - nun überraschend angesetzten - Exkurs über den Islam, dem »solch radikale Skepsis« (über die Existenz Gottes), so Benedikt weiter, ein Gräuel ist! Aber, begütigte der Papst nun, dass es »notwendig und vernünftig bleibt, mit der Vernunft nach Gott zu fragen und es im Zusammenhang der Überlieferung des christlichen Glaubens zu tun, war im Ganzen der Universität [damals] unbestritten«. Genau das eröffnete die Kontroverse mit den Muslimen.
Mit seinen Erinnerungen und Reflexionen über Glaube, Vernunft und Universität wollte Benedikt als europäischer Universitätsprofessor und Oberhaupt der Kirche, als Sprecher der Christenheit den Dialog der Religionen und Kulturen führen. Deshalb warf er die Frage auf, wer der Gott des Propheten Mohammed sei. Nicht mehr und nicht weniger.
Eigentlich, um diese Anfrage an »den« Islam zu entschärfen, zitierte Benedikt in der Aula Magna ein mittelalterliches Gespräch zwischen »dem gelehrten byzantinischen Kaiser Manuel II. Palaeologos wohl 1391 im Winterlager zu Ankara mit einem gebildeten Perser über Christentum und Islam und beider Wahrheit […] das Verhältnis der […] ›drei Gesetze‹ […] Altes Testament [Bibel der Juden] - Neues Testament [Botschaft von Jesus Christus] - Koran [Lehre des Propheten Mohammed]«. Benedikt spitzte die Frage nach dem Gott der Juden, Christen und Muslime nun auf die Frage zu, was der jeweilige Gott offenbart oder zu tun befiehlt beim »Thema des Djihād, ›des Heiligen Kriegs‹«, was in den Religionen gelehrt werde zum Verhältnis von Religion und Gewalt überhaupt.
Fast unschuldig berichtete Benedikt: »Der Kaiser wusste sicher, dass in Sure 2,256 steht: Kein Zwang in Glaubenssachen - es
ist eine der frühen Suren aus der Zeit, in der Mohammed selbst noch machtlos und bedroht war.« Aber, so weiter, »der Kaiser kannte natürlich auch die im Koran niedergelegten - später entstandenen - Bestimmungen über den Heiligen Krieg.«
»Früher« und »später«, im Koran entstanden. Für jüdische und christliche Exegeten, die genau die Bibel untersuchen, das Alte wie das Neue Testament, mit ausgefeilten wissenschaftlichen Methoden, ist diese Unterscheidung seit Jahrhunderten eine Selbstverständlichkeit. (Oft war es das aber auch nicht, sondern einfach Gottes Wort, das fundamentalistisch zu glauben war.) Für Muslime ist das ein Widerhaken, weil dann sofort
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