Zwischen Rom und Mekka
Formel »Im Namen Gottes, des Allerbarmers, des Barmherzigen«. Ist es nicht selbstverständlich, dass das Vergießen unschuldigen Blutes Barmherzigkeit und Liebe widerspricht?
Der Gebrauch der Vernunft
Die islamische Geisteswissenschaft ist reich an Studien über das Wesen menschlicher Vernunft und deren Beziehung zu Gottes Wesen und Seinem Willen. Dazu gehört auch die Frage danach, was als selbstverständlich zu betrachten ist und was nicht. Dennoch gibt es im islamischen Denken die Trennung zwischen »Vernunft« auf der einen Seite und »Glauben« auf der anderen Seite in dieser Form nicht. Vielmehr haben die Muslime auf eigene Weise verstanden, sowohl Stärke als auch Beschränktheit menschlicher Intelligenz zu begreifen, indem sie die Existenz verschiedener Stufen des Wissens erkannt haben, wobei die Vernunft eine zentrale Rolle spielt. Es gelang den muslimischen Geisteswissenschaftlern im Allgemeinen, zwei Extrempositionen zu vermeiden: Weder wurde das analysierende menschliche Denken zum obersten Richter über die Wahrheit gemacht, noch wurde dem menschlichen Denken die Fähigkeit abgesprochen, sich mit Existenzfragen zu befassen.
Und was noch wichtiger ist: In den ausgereiftesten Hauptrichtungen der islamischen Geisteswissenschaft gelang es den Muslimen über Jahrhunderte hinweg, die Wahrheiten der koranischen Offenbarung und die Ansprüche menschlicher Vernunft miteinander in Einklang zu bringen, ohne dass sie das eine dem anderen geopfert hätten. Gott sagt: »Wir werden ihnen unsere Zeichen zeigen an den Horizonten und in ihnen selbst, bis ihnen
klar wird, dass es die Wahrheit ist« (Sure mit dem ausführlich Erklärten, 41,53). Vernunft als solche ist eines der vielen Zeichen in uns, die zu betrachten Gott uns auffordert und die wir bei unseren Betrachtungen benutzen sollen, um zur Erkenntnis der Wahrheit zu gelangen.
Was ist »Heiliger Krieg«?
Wir möchten betonen, dass der Begriff des »Heiligen Krieges« in islamischen Sprachen nicht existiert. »Djihad«, das muss ausdrücklich erklärt werden, bedeutet »Einsatz«, »Engagement«, »sich anstrengen« und insbesondere sich einzusetzen auf dem Wege Gottes. Wenn Djihad nun auch insofern heilig sein mag, als er auf ein heiliges Ziel gerichtet ist, so ist er nicht notwendigerweise ein »Krieg«. Außerdem ist bemerkenswert, dass Manuel II. Palaeologos sagt, Gewalt widerspreche Gottes Wesen, setzte doch Christus selbst Gewalt ein gegen die Geldwechsler im Tempel und sagte: »Denkt nicht, ich sei gekommen, um Frieden auf die Erde zu bringen. Ich bin nicht gekommen, um Frieden zu bringen, sondern das Schwert […]« (Matthäus 10,34-36). Als Gott den ägyptischen Pharao ertrinken ließ, widersprach Er da seinem eigenen Wesen?
Vielleicht wollte der Kaiser ja sagen, dass Grausamkeit, Brutalität und Feindseligkeit Gottes Willen widersprechen, wobei das klassische geisteswissenschaftliche Konzept des Islam absolut mit ihm einig wäre. Sie sagen, der Kaiser habe »die Anweisungen zum Heiligen Krieg, die später entstanden und dann im Koran aufgezeichnet worden« seien, »sehr wohl gekannt«. Doch wie wir bereits oben im Zusammenhang mit dem Vers »Es gibt keinen Zwang im Glauben« ausgeführt haben, sind die genannten Anweisungen keineswegs später entstanden. Darüber hinaus beweisen die Behauptungen des Kaisers über Zwangsbekehrung, dass er nicht wusste, worin diese Anweisungen bestehen und schon immer bestanden haben. Die maßgebenden überlieferten islamischen Regeln für Kriegführung lassen sich in den folgenden Grundprinzipien zusammenfassen:
1. Zivilisten dürfen nicht das Ziel militärischer Aktion sein. Das wurde ausdrücklich immer wieder vom Propheten, seinen Gefährten und allen nachfolgenden Gelehrten betont.
2. Niemand wird allein aufgrund seiner religiösen Überzeugung angegriffen. Die muslimische Urgemeinde kämpfte gegen Heiden, die sie aus ihren Häusern vertrieben, sie verfolgt, gefoltert und ermordet hatten. Spätere islamische Eroberungen waren von politischem Charakter.
3. Muslime können und sollen friedlich mit ihren Nachbarn zusammenleben. Das schließt jedoch legitime Selbstverteidigung und Bewahrung der eigenen Souveränität nicht aus.
Diese Regeln sind für Muslime genauso bindend wie das Verbot von Diebstahl und Ehebruch. Wenn eine Religion Regeln vorschreibt für die Kriegführung und die Bedingungen festlegt, unter welchen Umständen die Kriegführung notwendig und gerecht ist, macht dies diese Religion genauso
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