Zwischen Rom und Mekka
sind, nicht an solche, die unterdrückt sind. Aus den frühesten Koranerläuterungen wie jener von Al-Tabari geht hervor, dass einige Muslime in Medina ihre Kinder zwingen wollten, vom Judentum oder vom Christentum zum Islam überzutreten. Dieser Vers bezog sich darauf und wies diese Muslime an, ihre Kinder nicht zum Übertritt zum Islam zu zwingen. Darüber hinaus sind Muslime von Versen geleitet wie: »Und sag: Es ist die Wahrheit von eurem Herrn. Wer nun will, der soll glauben, und wer will, der soll den Glauben verweigern« (Sure mit der Höhle, 18,29), und: »Sag: O ihr, die ihr den Glauben verweigert habt! Ich ordne mich nicht dem unter, dem ihr euch unterordnet. Und ihr ordnet euch nicht dem unter, dem ich mich unterordne. Und ich werde mich auch nicht dem unterordnen, dem ihr euch untergeordnet habt. Und ihr ordnet euch nicht dem unter, dem ich mich unterordne. Euch eure Religion und mir die meine« (Sure mit denen, die den Glauben verweigern 109,1-6).
Gottes Transzendenz
In Ihrem Vortrag sagten Sie unter anderem, für die muslimische Lehre sei Gott »absolut transzendent«, eine Vereinfachung, die irreführend sein kann. Wohl heißt es im Koran: »Nichts ist Ihm gleich« (Sure mit der Beratung, 42,11), doch in anderen Versen heißt es: »Gott ist das Licht der Himmel und der Erde« (Sure mit dem Licht, 24,35), »Wir sind ihm näher als seine Halsschlagader« (Sure mit Qaf, 50,16), »Er ist Der Erste und Der Letzte, Der Offenbare und Der Verborgene« (Sure mit dem Eisen, 57,3), »Er ist mit euch, wo immer ihr auch seid« (Sure mit dem Eisen, 57,4) und »Wohin ihr euch auch immer wendet, dort ist Gottes Angesicht« (Sure mit der Kuh, 2,115). Zudem sei ein Ausspruch des Propheten angeführt, demzufolge Gott sagt: »Wenn ich meinen
Diener liebe, bin ich das Ohr, mit dem er hört, das Auge, mit dem er sieht, die Hand, mit der er greift, und der Fuß, mit dem er geht« (Sahih Al Bukhari no. 6502, Kitab al-Riqaq).
In der spirituellen, theologischen und philosophischen Tradition des Islam wird die Persönlichkeit des von Ihnen angeführten Denkers Ibn Hazm (verst. 1069) zwar geschätzt, doch nimmt er eine völlig marginale Rolle ein, da er der Thahiri-Rechtsschule angehörte, die in der heutigen islamischen Welt nicht mehr praktiziert wird. Auf der Suche nach klassischen Definitionen der Lehre von Gottes Transzendenz sind zum Beispiel Al-Ghazali (verst. 1111) und andere Gelehrte von wesentlich größerer Bedeutung, hatten bei Weitem mehr Einfluss und repräsentieren den islamischen Glauben viel eher als Ibn Hazm.
Sie führen eine Quelle an, derzufolge dem Kaiser als »einem in griechischer Philosophie aufgewachsenem Byzantiner« die Auffassung, dass Gott »keinen Gefallen hat am Blut«, »evident« sei, und stellen die islamische Lehre von Gottes Transzendenz als dem entgegengesetzt dar. Zu behaupten, für Muslime sei Gottes Wille »an keine unserer Kategorien gebunden«, ist ebenfalls eine Vereinfachung, die zu einem falschen Verständnis führen mag. Gott hat im Islam viele Namen, so zum Beispiel »Der Barmherzige«, »Der Gerechte«, »Der All-Hörende«, »Der All-Sehende«, »Der All-Wissende«, »Der Liebevolle« und »Der Nachsichtige«. So hat die tiefe Überzeugung der Muslime von der Einheit Gottes und dass »niemand Ihm jemals gleich« ist (Sure mit der aufrichtigen Ergebung, 112,4) nicht dazu geführt, dass Muslime verleugnet hätten, dass Gott sich selbst diese Eigenschaften zuschreibt wie auch (einigen) seiner Geschöpfe. (Wir gehen hier auf den Begriff der »Kategorien« nicht näher ein, einen Begriff, der in diesem Zusammenhang einer ausführlichen Klärung bedürfte.)
Da es hier um Gottes Willen geht, heißt die Schlussfolgerung, die Muslime glaubten an einen Willkür-Gott, der uns auch Schlechtes befehlen kann, vergessen, dass Gott im Koran sagt: »Gott gebietet, gerecht zu sein, Gutes zu tun und dem Verwandten zu geben, und Er verbietet das Schändliche, das Verwerfliche und Gewalttätigkeit. Er ermahnt euch, damit ihr daran denken
möget« (Sure mit der Biene, 16,90). Außerdem wurde hier übersehen, dass Gott im Koran sagt: »Er hat sich selbst Barmherzigkeit vorgeschrieben« (Sure mit dem Vieh, 6,12, auch 6,54), und dass Gott im Koran sagt: »Meine Barmherzigkeit umfasst alles« (Sure mit den Höhen, 7,156). Das Wort für Barmherzigkeit, »rahmah«, kann auch übersetzt werden mit »Liebe«, »Güte« und »Mitgefühl«. Von diesem Wort kommt die heilige, von Muslimen täglich benutzte
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