Zwischen Rom und Mekka
Großmuftis von Ägypten, Bosnien, Kroatien, Istanbul, des Kosovo, von Oman, Russland, Slowenien, Usbekistan, dazu religiöse Autoritäten aus Saudi-Arabien, den Vereinigten Arabischen Emiraten, Indien, Indonesien, Iran, Irak, Kuwait, Malaysia, Marokko und Pakistan. Das sei, so wurde in Rom kommentiert, nicht die ganze islamische Welt, die weder eine
höchste juridische Autorität noch ein verbindliches Lehramt kennt, jedoch ein bemerkenswerter Teil, der seinerseits Einfluss im Islam habe.
Die Unterzeichner anerkennen das Eintreten des Papstes in seiner Regensburger Vorlesung gegen den in der westlichen Welt vorherrschenden Relativismus. Sie weisen jedoch - ohne die aus der islamischen Welt in den Wochen zuvor gewohnte Erregung - mit dem gebotenen Respekt auf einige »Irrtümer« hin, denen Benedikt in seiner Sicht des Islam offenbar anhänge. Sie nehmen mit Befriedigung zur Kenntnis, dass Benedikt zu wiederholten Malen sein Bedauern über Missverständnisse ausgedrückt habe. Vor allem, so heißt es in dem Brief, werde geschätzt, dass das beanstandete Zitat des byzantinischen Kaisers über Mohammed nicht die persönliche Meinung des Papstes wiedergebe und er sich »mit vollem und tiefem Respekt für die muslimischen Gläubigen« davon distanziert habe.
Mit besonderer Aufmerksamkeit wird im Vatikan vermerkt, das die religiösen Führer auf Sachfragen eingegangen seien und darüber klärende Gespräche für nützlich und geboten hielten. Das betrifft vor allem die Hauptfragen: ob die Bestimmung des Koran, »kein Zwang in Glaubenssachen«, auch für den Islam an der Macht gelte; weiter, wie die auch vom Islam vertretene Transzendenz Gottes sich zur Vernunft, zur Gewalt als Vernunftwidrigkeit verhalte; ob Zwangsbekehrungen dem Koran entsprächen; und schließlich, ob Mohammed etwas Neues darin gebracht habe, was die Glaubensüberzeugung eines anderen betreffe. Damit nehmen die Unterzeichner des Briefes genau die Anfragen der Regensburger Vorlesung über das Verhältnis von Glaube und Vernunft, Religion und Gewalt in den Weltreligionen auf. Zudem erinnert der Brief daran, dass Christen und Muslime 55 Prozent der Weltbevölkerung bildeten und dass deshalb ihr Dialog in gegenseitigem Respekt und Verstehen notwendig für den Frieden in der Welt sei.
Zum besseren Verständnis sei dieses Dokument hier in ganzer Länge wiedergegeben (unautorisierte Übersetzung):
Offener Brief der 38 Muslimführer vom Oktober 2006
Im Namen Gottes, des Allerbarmers, des Barmherzigen. Friede und Segen seien mit dem Propheten Mohammed.
Offener Brief an Seine Heiligkeit, Papst Benedikt XVI.
Im Namen Gottes, des Allerbarmers, des Barmherzigen. »Und streitet mit den Angehörigen der Schriftreligionen nur in bester Weise...« (Koran, Sure mit der Spinne, 29,46)
Seine Heiligkeit, in Bezug auf Ihre Vorlesung an der Universität Regensburg am 12. September 2006 halten wir es im Geiste einer offenen Auseinandersetzung für angebracht, Ihre Bezugnahme auf einen Dialog des gelehrten byzantinischen Kaisers Manuel II. Palaeologus mit einem »gebildeten Perser« zum Anlass zu nehmen für einige Betrachtungen über die Beziehung zwischen Vernunft und Glauben. Begrüßen wir zwar Ihre Bemühungen, sich der Vorherrschaft positivistischer und materialistischer Denkweisen im menschlichen Leben entgegenzustellen, müssen wir doch auf einige Fehler hinweisen, die Ihre Darstellung des Islam als Kontrapunkt einer korrekten Anwendung menschlicher Vernunft enthält, als auch auf Irrtümer in den Argumenten, mit denen Sie Ihre Behauptung stützen.
Es gibt keinen Zwang im Glauben
In Ihren Ausführungen heißt es, dass Kennern zufolge der Vers »Es gibt keinen Zwang im Glauben« (Sure mit der Kuh, 2,256) in die Anfangszeit des Islam einzuordnen sei, in der der Prophet noch »machtlos und bedroht« gewesen sei. Dies ist nicht richtig. Vielmehr ist man sich einig, dass dieser Vers in jene Phase koranischer Offenbarung einzuordnen ist, in der die neu geschaffene muslimische Gesellschaft politisch und militärisch zu erstarken begann. So stellte »Es gibt keinen Zwang im Glauben« keineswegs
den Befehl dar an Muslime, ihrem Glauben treu zu bleiben angesichts des Wunsches ihrer Unterdrücker, sie zum Abfall von ihrem Glauben zu zwingen. Er war vielmehr eine Ermahnung an die Muslime selbst, die nun an die Macht gelangt waren, dass sie die Herzen anderer nicht zum Glauben zwingen konnten. »Kein Zwang im Glauben« richtet sich an Menschen, die an der Macht
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