Zwischen Rom und Mekka
geschrieben. Als Theologe hätte Benedikt antworten können, als Papst schwerlich, ohne sich in einen Fachstreit einzulassen. Also gab es keine direkte päpstliche Erwiderung.
Doch in betont auffälliger und freundlicher Weise richtete der Vatikan wenige Tage später seine traditionelle Botschaft zum Ende des islamischen Fastenmonats Ramadan an die muslimische Weltgemeinschaft. Der Präsident des »Päpstlichen Rats für den Interreligiösen Dialog«, der französische Kardinal Poupard, rief (am 20. Oktober 2006) in Rom bei der Vorstellung dieser Botschaft Christen und Muslime zu einem »vertrauensvollen
Dialog« auf, »um die Herausforderungen in der Welt von heute gemeinsam anzugehen und unsere gemeinsamen Werte zu bezeugen«. Ausdrücklich hob Kardinal Poupard hervor, dass seine Wünsche für »Friede, Ruhe und Freude in euren Herzen« am Ende des Ramadan jenen entsprächen, die Papst Benedikt XVI. am Anfang den beim Heiligen Stuhl akkreditierten Botschaftern der muslimischen Länder bei einem Sondertreffen entboten hatte.
Kapitel 23
Benedikt XVI. in der Türkei
Muslimisches Feindesland erwarteten alle für den Papst von der viertägigen Reise in die Türkei, vom 28. November bis zum 1. Dezember 2006. Nur zehn Wochen nach »Regensburg«. Aber sie musste sein. Die Visite war schon lange geplant.
Grund der Visite war - wie schon bei den Reisen Pauls VI. (1967) und Johannes Pauls II. (1979) - ein Treffen mit dem Ökumenischen Patriarchen von Konstantinopel, dem Ehrenprimas der orthodoxen Christen, der im Phanar (im Stadtviertel Fener) zu Istanbul residiert. Damit waren die Rechte einer religiösen Minderheit im Muslimland berührt.
Nicht unproblematisch war weiter, dass der Papst auch die »kleine katholische Gemeinde« der Türkei treffen wollte, dazu in Ephesus die christliche Geschichte »Kleinasiens« über eineinhalb Jahrtausende hinweg zu würdigen beabsichtigte und au ßerdem die christlich-armenische Minderheit, die furchtbar unter den Osmanen Anfang des 20. Jahrhunderts gelitten hatte, nicht übersehen konnte. Natürlich gab es Proteste und Attentatsdrohungen und bei dem einen oder anderen Vatikanjournalisten auch die Überlegung, ob man im Flugzeug des Papstes wirklich sicher sei bei Bombenanschlägen.
Bitte um Wohlwollen
Benedikt begann die heikle Mission zwei Tage vor dem Abflug. Am Sonntag, mit einer klassischen »Captatio benevolentiae«, einer dick aufgetragenen Bitte um Wohlwollen, nach dem Beispiel der alten Römer. Vor Zehntausenden von Pilgern und Besuchern
aus aller Welt auf dem Petersplatz in Rom - das war ein Vielfaches jener Menge, die zur gleichen Zeit in Istanbul gegen die Papstvisite protestierte - entbot er »dem lieben türkischen Volk einen herzlichen Gruß« und bat die Gläubigen nach dem traditionellen Angelus-Gebet um ihr Gebet, »damit diese Pilgerfahrt all jene von Gott gewünschten Früchte bringt«. Der Papst schmeichelte:
»Ich möchte diesem Volk, das so reich an Geschichte und Kultur ist, und seinen Vertretern meine Gefühle der Achtung und aufrechter Freundschaft ausdrücken. Ich rufe den himmlischen Schutz des seligen Johannes XXIII. an, der zehn Jahre lang Apostolischer Delegat in der Türkei war und für diese Nation Zuneigung und Achtung hegte.«
Das kam in der Türkei gut an.
Am Montag gab es weitere freundliche Signale. Die türkische Regierung lege Wert darauf, hieß es, dass der offizielle Staatsbesuch, beginnend in der Hauptstadt Ankara, kein Misserfolg werde. Auch Ministerpräsident Erdogan sehe nach anfänglichen Bedenken ein Treffen mit dem Papst als innenpolitischen Gewinn an und werde Benedikt am Flughafen begrüßen. Erdogan war wohl aufgefallen, dass am Sonntag zu der groß angekündigten Protestkundgebung gegen den Papstbesuch in Istanbul statt der erwarteten Million nicht einmal 15 000 Teilnehmer erschienen waren. Weiter wusste ich, dass Benedikt bei der Vorbereitung seiner politisch bedeutsamen Ansprachen in besonderer Weise die türkischen Verfassungstexte und das geistige Vermächtnis Atatürks, des Gründers der laizistischen, nicht an den Islam gebundenen modernen Türkischen Republik, studiert hatte.
Aus diesen Texten wurde deutlich: Die großen Themen der religiösen, vernunftgemäßen Toleranz und des Gewaltverzichts seitens der Gläubigen können in der Türkei, deren Bewohner zu 98 Prozent muslimisch sind, keineswegs fremde Ideale sein. Damit war auch bedeutet: Die päpstliche Vorlesung von Regensburg warf - von der Beleidigung des
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