Zwischen Rom und Mekka
Kurie verschlanken. Daraus wurde nichts, aus vielerlei Gründen. Es gab die Regensburger Rede des Papstes, die den Muslimen Gelegenheit bot, den »Dialog« mit der westlichen Hauptreligion sehr erhitzt zu führen.
Außerdem wechselte die Führung des Staatssekretariats. Auf Kardinal Angelo Sodano - im Dezember 1990 von Johannes Paul II. zum Staatssekretär ernannt und so fast 16 Jahre lang als »Premier« von zwei Päpsten der Zweitmächtigste im Vatikan, der dennoch Benedikt nicht vom Zitieren hatte abhalten können - folgte Kardinal Bertone, der Sachen und Personen gern in seinem Sinn beeinflusst und unter Kontrolle hält - zuweilen besser, als der Papst es sich vorstellen kann. Schließlich meinte auch Kardinal Poupard, er sei kein Krisenmanager, und das Gespräch mit den Muslimen könne man nicht als Freizeitbeschäftigung betreiben. Da sollte nun Kardinal Tauran mehr professionelle Ordnung hineinbringen. Keine Frage, dass er dazu imstande ist. Vor allem, nachdem sich herausgestellt hat, dass seine Parkinson-Krankheit nicht so schlimm ist wie befürchtet.
Aus der Seelsorgearbeit in der französischen Provinz war Jean-Louis Tauran nach Rom berufen worden. Im Dezember 1990 wurde ihm die Leitung der »Zweiten Sektion« im Staatssekretariat übertragen, jener Abteilung (unter wechselnden Namen in der Geschichte der Papst-Kurie), die für die Beziehungen zu den Regierungen und internationalen Organisationen zuständig ist. Bis zum November 2003 leitete er die vatikanische Außenpolitik, unbestechlich, überparteilich; dann drückte die Krankheit zu sehr. Stets ließ sich der lieber schweigsame als
redselige Erzbischof gern von anderen erzählen, was los war in der Welt. Vorausgesetzt, man konnte ihm etwas wichtiges Neues mitteilen, was er trotz des einzigartigen Kommunikationssystems des global vernetzten Vatikan nicht schon wusste. Kardinal Tauran kennt die Lage in den Ländern mit Muslimen nicht nur vom Hörensagen und trockenen Aktenstudium, sondern auch aus eigener Anschauung, die immer wieder durch Berichte der Patriarchen, Erzbischöfe und Priester aus den muslimischen Staaten mit kleinen christlichen Gemeinden, den Bewährungsstellen des Dialogs, aufgefrischt wurde. Da wird jetzt nicht mehr viel Zeit bleiben, die Liebe zur Musik zu pflegen, besonders zu den Kompositionen Johann Sebastian Bachs. Jetzt gilt es, Misstönendes umzustimmen.
In der Ruhe des römischen Sommers 2007 wurden die Wächter im Vatikan durch Berichte des neu formierten italienischen »Geheimdienstes für die Innere Sicherheit« (DIS) aufgeschreckt. Im traditionell katholischen Italien werde, so hieß es da, alle vier Tage eine Moschee eröffnet. Das sei meist ein bescheidener Gebetsraum für Muslime. Kein Vergleich mit der prächtigen Moschee in Rom. Manchmal sei es jedoch etwas Größeres, das auch den Bürgern (schon in der Planungsphase) auffalle und dann meist auf Ablehnung stoße. Insgesamt, so der Bericht, seien es 39 Moscheen allein in den ersten fünf Monaten 2007; seit 2000 habe sich ihre Zahl mehr als verdoppelt, von 351 auf inzwischen 735.
Es sollten noch mehr werden, wurde berichtet, nicht nur weil die fünf bis acht Prozent regelmäßiger Moscheegänger der etwa eine Million Muslime in Italien dies dringend erforderten, sondern auch weil von weit her gesteuerte politische Ziele dahintersteckten und die religiösen Führer auf starken Zuwachs setzten. Der Islam ist längst die zweitgrößte Religionsgemeinschaft in Italien. Dabei könnten die Muslime nicht nur in den großen Städten, in Rom, Bologna, Neapel, Genua oder Florenz, auf das Verständnis der meist links orientierten Bürgermeister setzen - die sich davon Mäßigung und Disziplinierung der Muslime er warteten -, sondern auch auf die finanzielle Unterstützung durch die Kommunen für Gemeindezentren oder die Bereitstellung von
geeigneten Grundstücken. Andererseits gebe es auch feindliche Brandanschläge gegen die Moscheen, wie gegen jene von Segrate in der Lombardei oder in Abbiategrasso, ebenfalls bei Mailand. Doch selbst die Sicherheitskräfte wüssten nicht genau, ob die Attentäter Muslime einer feindlichen Richtung oder italienische Rechtsextremisten seien.
Kapitel 26
Besondere Initiativen in Venedig und Deutschland
Kardinal-Patriarch Scola und die Zeitschrift »Oasis«
Die Venezianer sind Spezialisten im Umgang mit dem Islam. Schon aufgrund ihrer Geschichte. Sie waren die Neugierigsten unter den abendländischen Europäern im Blick auf die islamische
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