Zwischen Rom und Mekka
Welt, die Länder, Völker und Menschen im östlichen Mittelmeer, und viele sind es geblieben. Einer von ihnen ist Kardinal Angelo Scola, Patriarch von Venedig und Hauptpromotor einer inzwischen berühmten Halbjahreszeitschrift, »Oasis«, für gründliche Studien über den Islam und den festen Dialog mit den Muslimen. Ein Beispiel in der Papstkirche für den Dialog mit dem Islam, eines von vielen.
Unter den italienischen Bischöfen ist er der einzige »Patriarch«; der Papst als Bischof von Rom benutzt den Titel eines »Patriarchen des (lateinischen) Abendlands« seit 2006 nicht mehr. Angelo Kardinal Scola freut sich in seinem Amtssitz neben San Marco, der orientalisch anmutenden Kuppelbasilika neben dem Dogenpalast, dass die Venezianer stolz auf diese Ehre sind. Erst vor Kurzem habe ihm das eine Frau bestätigt. In einem »Vaporetto«, dem »Dampfer-Bus« der einzigartigen Lagunenstadt. Natürlich benutzt der Patriarch die öffentlichen Verkehrsmittel. Als Sohn eines Lastwagenfahrers kennt er keine Berührungsängste, weder bei seinen Gläubigen noch bei den Muslimen. Die ihrerseits schuld sind am Patriarchentitel. Denn den erhielt Venedig geschenkt, vom nahen Grado-Aquileia mit älterer Tradition. Als im 15. Jahrhundert das Oströmische Reich der christlichen Byzantiner von den Türken liquidiert (1451/1457) und
Konstantinopel erobert wurde. Viele Christen, darunter große Humanisten, des Griechischen mächtig, flüchteten damals nach Westen und bereicherten das Abendland.
Der am 7. November 1941 im lombardischen Städtchen Malgrate (nördlich von Mailand bei Lecco) geborene Kardinal-Patriarch verhehlt nicht, dass Venedig für die Gründung von »Oasis«, der Zeitschrift und des Studienzentrums, maßgeblich war. Gegen Ende einer lebhaften, wechselvollen Karriere: 1970 Priesterweihe, nach einem politisch bewegten, gegen linksextremistische Bedrohungen durchgesetzten Studium (Politische Philosophie und Moraltheologie), Engagement in der Laienbewegung »Gemeinschaft und Befreiung«, weitere Studien und Universitätsseelsorge im schweizerischen Freiburg, in München und Paris, Professor in Rom, 1991 Bischof im Toskana-Bistum Grosseto, 1995 Rektor der Päpstlichen Lateran-Universität in Rom, Januar 2002 Patriarch, Oktober 2003 Kardinal. Nach dem Tod von Johannes Paul II. galt der Patriarch von Venedig, so mit vielerlei vertraut, als »papabile« im Konklave, als möglicher Nachfolger des Papstes.
Nein, sagt der Patriarch in seinem Palazzo, es war doch mehr die Geschichte Venedigs, die das Interesse auf den Orient lenkte, das Geschick der Venezianer, die Jahrhunderte hindurch - nach dem Zusammenbruch des antiken Imperium Romanum im Westen, beim Ringen zwischen dem Byzantinischen Reich und den muslimischen Mächten im Osten des Mittelmeers - die Verbindungen zur See nach Osten aufrechterhielten, bis zur Aufhebung der Seerepublik durch Napoleon 1797. Die Venezianer waren dabei ganz unideologisch stets auf den eigenen Vorteil bedacht, mal mit den christlichen Byzantinern gegen die Mächte unter dem Banner des Propheten, mal mit Letzteren gegen unliebsame Handelskonkurrenten, mal mit den christlichen Abendländern gegen die Glaubensbrüder in Byzanz (etwa beim Kreuzzug von 1204).
Die geografische Lage an der Adria spielte dafür eine Rolle, vielleicht auch die Gründungstradition seit dem 9. Jahrhundert: Zwei Kaufleute hätten die Reliquien des heiligen Evangelisten Markus aus dem ägyptischen Alexandrien nach Venedig
gebracht. So wurde es die »Repubblica di San Marco«. Die Basilika des Evangelisten zeigt die Verbindung zwischen Ost und West in ihrem Äußeren mit morgenländischen Kuppeln und einem Campanile, der fast ein Minarett sein könnte. Im Sommer 2007 fand passend dazu im Dogenpalast daneben eine Ausstellung statt: »Venedig & der Islam, 828-1797«, in der man an 200 Kunstobjekten die schönen Ergebnisse einer tausendjährigen Beziehung bewundern und über deren Wechselfälle staunen konnte.
Dann pflegt der kraftvoll und entschieden wirkende Kirchenmann eine klare Sprache über die Auseinandersetzungen heute zwischen Kreuz und Halbmond: »Natürlich sind wir zum Dialog mit dem Islam bereit; aber die Muslime müssen ebenso unsere Werte respektieren; nicht nur ein paar moderate Intellektuelle«, sagt er. »Es gibt eine Identitätskrise des Islam, hervorgerufen durch die Globalisierung, durch den technisch-wissenschaftlichen Anspruch des Westens, das Glück des Menschen zu schaffen ohne seine geistliche
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