Zwischen Rom und Mekka
unter dem Kardinalpräfekten Ratzinger »Sekretär«, der Zweitwichtigste in der Glaubenskongregation. Kein Fachtheologe, sondern Kirchenjurist, auch kein Diplomat, sondern ein Mann von raschen Worten und Entschlüssen und entschiedener Durchsetzungskraft. Wenn in jenen Jahren das eine oder andere Dokument der Glaubenskongregation etwas weniger theologisch-spekulativ, sondern scharf römisch-katholisch ausfiel, dann durfte man dahinter Bertones Einfluss vermuten, worauf auch seine Unterschrift stets hinwies.
Ebenfalls zum 15. September 2006 wurde Erzbischof Dominique Mamberti zum neuen vatikanischen Außenminister ernannt. Den Anfang hätte er sich kaum schwieriger vorstellen können. Am Vortag verabschiedete sich sein oberster Dienstherr noch in freundlicher Gelassenheit auf dem Münchner Flughafen von seiner geliebten bayerischen Heimat und deren Bewohnern. Da brodelte es schon in der islamischen Welt und brauste der Sturm des Protests heran. Dann traten der Erzbischof Mamberti als »Sekretär für die Beziehungen zu den Staaten«, in der »Zweiten Sektion« im vatikanischen Staatssekretariat, und Kardinal Bertone am selben Tag ihren Dienst an.
Dominique Mambertis Ernennung schien ein Glücksfall für die schwierigen Beziehungen zwischen Kirche und Moschee zu sein. Am 7. März 1952 als Sohn korsischer Eltern in Marrakesch geboren, also als katholischer »Franzose« in einem muslimischen Land, kennt er die leicht erregbaren Massen, die religiösen und politischen Autoritäten, die Gottesgelehrten und Intellektuellen in den Ländern von Marokko bis Indonesien, von Nigeria bis Skandinavien. Da weiß er schon mal, dass Aufregung und Empörung, heftiges Geschrei und wüste Beschimpfungen
in einem Basar nicht immer auf die Goldwaage zu legen sind. Freilich auch, dass der Prophet Mohammed gleichsam das »Allerheiligste« für die gläubigen und auch nicht so gläubigen Muslime ist. Der Erzbischof hätte wahrscheinlich dem Professor Ratzinger von dem Zitat mit dem »Schlechten und Inhumanen« bei Mohammed abgeraten.
Das Handwerk eines päpstlichen Diplomaten lernte der Vielsprachige - Französisch, Italienisch, Englisch, Spanisch; für das Arabische reichte die Zeit lange nicht so recht - nach der Priesterweihe (1981) und Rechtsstudien. Im März 1986 schickte der Heilige Stuhl den Vielversprechenden in die weite Welt, nach Algerien, Chile, an die Ständige Vertretung bei den Vereinten Nationen in New York und in den Libanon, bevor man ihn in die Zentrale, in die Zweite Sektion des Außenministeriums, zurückholte zum Feinschliff. Um ihn auch auf richtig ungemütlichen Posten zu erproben, sandte man ihn im Mai 2002 als Nuntius in den Sudan und als Apostolischen Delegaten nach Somalia. Obendrein wurde Mamberti im Februar 2004 Nuntius in Eritrea. Aus Khartoum hätte er, wie auch der frühere Nuntius in Deutschland, Erzbischof Ender, ein garstig Lied von den Schwierigkeiten mit den Muslimen dort singen können. Dürres Feld für die katholische Kirche, Bewährung für den Erzbischof, der souverän und kundig die vatikanische Politik gegenüber den muslimischen Staaten und Massen mitgestalten darf und muss.
Mit nur zwei Zeilen teilte das vatikanische Presseamt am 25. Juni 2007 mit, Papst Benedikt habe einen neuen Präsidenten des vatikanischen Rats für den Interreligiösen Dialog ernannt: Kardinal Jean-Louis Tauran, bisher Archivar und Bibliothekar der Römischen Kirche. Das bedeutete, dass der Franzose - am 5. April 1943 in Bordeaux geboren, doch schon seit 1990 als einer aus der jungen Garde in einer vatikanischen Führungsposition - die alten Pergamente und dicken Folianten in die kilometerlangen Regale der Museen zurückstellen und im diplomatischen Dienst den Dialog mit den politischen und religiösen Führern des Islam aufnehmen sollte. Am 1. September, so fügte eine weitere Zeile hinzu, sollte der Wechsel an der
Spitze des Rats mit dem französischen »Oldtimer« Kardinal Paul Poupard (Jahrgang 1930) erfolgen.
Damit zogen Benedikt und Bertone Konsequenzen aus Fehloder verbesserungsbedürftigen Entscheidungen. Denn Kardinal Poupard hatte im März 2006 zusätzlich zur Leitung des Päpstlichen Kultur-Rats auch die des Dialog-Rats (von Erzbischof Fitzgerald) übernommen, weil er als umgänglicher, kultivierter geistlicher Herr galt, der allen Andersglaubenden extremistische Ideen auszureden imstande zu sein schien. Das war der Sinn des Wechsels. Zudem wollte man mit der Personalunion an der Spitze zweier Räte die
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