Zwischen uns das Meer (German Edition)
gute Idee war, sich zu lieben. Die Ärzte hatten ihr gesagt, sie könnte jederzeit »sexuelle Aktivitäten« aufnehmen, wenn sie dazu bereit wäre. Aber wie würde es werden?
Am liebsten hätte sie Halt, ich bin noch nicht bereit dazu gesagt, doch selbst als der Gedanke, getrieben von lebenslanger Angst, in ihr aufkam, wusste sie, dass es eine Lüge war. Sie war vom ersten Augenblick, seit sie diesen Mann gesehen hatte, bereit gewesen, ihn zu lieben. Und das hatte sich all die Jahre nicht geändert. Sie hatten einander weh getan, hatten sich im Stich gelassen, und doch waren sie nach all dem immer noch zusammen. Sie brauchte ihn jetzt, er musste sie daran erinnern, dass sie noch lebte, dass sie nicht allein war und nicht alles verloren hatte.
Sie musste ihm wieder glauben; das war die einzige Chance für sie – und für sie beide als Paar. Die Gefahr, dass einem weh getan wurde, bestand immer, wenn man liebte. Und sie konnte nicht aufhören zu lieben, sie hatte es versucht. Sie wollte Liebe – bedingungslose, unvorhersehbare, gefährliche Liebe. Selbst mit verwundetem Leib und noch stärker verwundetem Herzen. Sie wollte es. Wollte ihn.
Er stieß die Schlafzimmertür auf und kickte sie hinter sich zu. Am Bett blieb er leicht keuchend von der Anstrengung stehen. Sie sah in seinen Augen die tiefe Leidenschaft, die ihren Körper genauso in Erregung versetzt hatte wie seine Berührung. Aber sie sah jetzt auch Angst und Sorge. Sie legten sich zusammen hin.
»Ich liebe dich, Jo«, sagte er einfach, obwohl sie beide wussten, dass an diesem Geständnis nichts einfach war.
»Ich liebe dich auch, Michael«, sagte sie stockend. »Ich habe nie aufgehört, dich zu lieben.«
Er nahm sie in die Arme und küsste sie. Bei seiner Berührung erwachte ihr Körper zum Leben und öffnete sich für ihn. Sie stöhnte seinen Namen und presste sich an ihn. Sie zog ihn noch näher zu sich und begehrte ihn stärker als je zuvor.
Seine Hand glitt unter ihre Bluse und öffnete den BH .
Sie holte tief Luft, um Mut zu sammeln. Sie wollte dies, wollte ihn, aber sie hatte auch Angst. Wie würde die Liebe mit diesem neuen Körper sein? Würde er sie immer noch aufrichtig begehren?
Das fahle Mondlicht schien auf ihre blassen Beine. Ihre Oberschenkel waren gleich groß – die Schwellung war zurückgegangen. Der eine mündete in ein Knie, das zu einer wohlgeformten Wade und einem Fuß führte. Der andere …
Sie hatte es sich nur selten wirklich angesehen. Aber jetzt tat sie es, und sie wusste, dass Michael es ebenfalls betrachtete: das amputierte Bein mit dem abgerundeten Ende und den immer noch leuchtend roten Frankensteinnähten. Lulu hatte recht gehabt: irgendwie sah es aus wie ein Fußball.
»Wir müssen vielleicht … innovativ sein«, sagte sie.
»Innovativ find ich toll«, flüsterte er und fuhr mit seiner Hand über ihren vorstehenden Hüftknochen das Bein hinunter. Seine Berührung war elektrisierend. Sie streifte ihre Bluse ab, zog Michael aus und drängte sich gegen ihn, weil ihr ganzer Körper darauf brannte, von ihm berührt zu werden. Mit ihrer Hand fuhr sie ihm über die Brust, spürte ihn und erinnerte sich daran, wie es war, ihn zu berühren. Ihr Kuss wurde wild und verzweifelt. Ihre Finger schlüpften unter den Bund seiner Boxershorts.
Hatte sie ihn je so heftig, so schmerzhaft begehrt? Sie konnte sich nicht erinnern. Aber jetzt trieb das Verlangen sie an, strebte danach, ausgelebt zu werden.
Er kannte ihren Körper so gut wie seinen eigenen, wusste, wann und wo er sie berühren musste, wusste, wie er sie an die Klippe aus Lust und Schmerz bringen konnte. Es war ganz gleich, dass sie alles etwas anders als früher gestalten mussten, dass sie sich manchmal mit Kissen abstützen musste. Als sie auf der Seite lag, klammerte sie sich an ihn und keuchte heftig, weil sie spürte, wie er wieder in ihr war und sie ausfüllte; als sie sich ihm entgegenwölbte und ihn küsste, waren ihrer beider Wangen nass von den Tränen des anderen. Die Erlösung war so gewaltig, dass sie aufschrie; es fühlte sich an, als würde ihr ganzer Körper hochgehoben und auf einem dunklen Wind davongetragen, um dann wieder sanft auf das weiche Bett zurückzugleiten, das sie so lange mit diesem Mann geteilt hatte. Nachher rollte sie sich erschöpft und verschwitzt an seiner Seite zusammen, drückte ihre Wange an seine Brust und erinnerte sich, während er ihr über den Arm strich, wie sich seine Tränen auf ihrem Gesicht anfühlten und wie salzig
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