Zwischen uns die halbe Welt: Sommerflirt 2 (German Edition)
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»Ja«, sage ich. »Ist es.«
Nachdem Mom mir am Telefon ein längeres Gespräch über Geschlechtsteile, deren Anblick nicht für die Öffentlichkeit bestimmt ist, gehalten hat, schleppe ich Avi ins Museum of Science and Industry. Das ist mein Lieblingsmuseum, vor allem die Ausstellung über tote Babys hat es mir angetan. Offiziell heißt sie Neugeborenenausstellung und zeigt in Formaldehyd eingelegte Embryos und Föten. Die Ausstellung hat mich schon immer fasziniert: zu sehen, wie das menschliche Leben mit einem winzigen Zellhäufchen beginnt und daraus schließlich ein richtiger Mensch entsteht. Das ist echt ein Wunder, anders kann ich es nicht beschreiben.
Lässt einen umso mehr an Gott glauben.
Ich hatte befürchtet, Avi würde es vielleicht langweilig finden, sich tote Babys anzuschauen, doch ein Blick auf ihn verrät mir, dass er ebenso fasziniert ist wie ich. Während ich mir die verschiedenen Entwicklungsstadien anschaue, muss ich an die Mütter dieser Kinder denken – dieser Kinder, die nicht lebensfähig waren. Die schon gestorben sind, bevor ihr Leben richtig losging. Und dennoch leisten sie mehr für andere Menschen als die meisten von uns in ihrem ganzen Leben, und ganz bestimmt mehr als ich mit meinen siebzehn Jahren. Sie tragen dazu bei, dass die Leute etwas lernen, dass sie sich dessen bewusst werden, was da im Körper einer Frau vorgeht, wenn sie schwanger ist, und sie bringen die Menschen sogar Gott näher.
Avi nimmt meine Hand, als wir bei jedem Entwicklungsstadium stehen bleiben und die Föten studieren. Sie sind mit männlich oder weiblich beschriftet (sogar eineiige Zwillinge sind dabei) und auf kleinen Info-Schildchen steht ihr Alter.
Vor einem Fötus, der bis auf die Tatsache, dass er sehr klein ist, vollständig entwickelt aussieht, hebt Avi die Hand ans Glas. »So etwas wie das hier habe ich noch nie gesehen«, sagt er.
Ich weiß, dass nicht jeder diese Ausstellung mag, und wenn man es recht bedenkt, ist sie auch irgendwie unheimlich. Aber es ist ein schönes Gefühl, das hier mit Avi zu teilen und dass es ihn genauso in den Bann zieht wie mich. Vielleicht eines Tages …
Ich sehe Avi von der Seite an. Er lächelt, und ich könnte schwören, dass er dasselbe denkt.
Am Nachmittag fahre ich mit ihm und Köter zu meiner Mom. Ich kann Avi nicht heimfliegen lassen, ohne dass er den anderen Teil meiner Kernfamilie kennengelernt hat, obwohl ich mir nicht sicher bin, wie Marc und Mom sich ihm gegenüber verhalten werden. Und jetzt, da wir uns gerade die Neugeborenenausstellung im Museum of Science and Industry angesehen haben, hoffe ich, dass Avi die Schwangerschaft meiner Mutter nicht allzu komisch vorkommt.
Sobald Mom Köter erblickt, ruft sie: »Musstest du das Tier mitbringen?«
»Mom, du hast einen Garten, in dem er frei rennen kann. Er findet es hier ganz toll.«
Seit ich Köter im Park immer an einer Verlängerungsleine habe, damit er keine anderen Hunde mehr bespringt, ist Moms Haus wie Freedom City für ihn.
»Letztes Mal hast du nicht mal seine Hundehaufen eingesammelt, Amy. Marc ist letzte Woche in ein kleines Souvenir getreten.«
Gut gemacht, Köter. »Tut mir leid, Mom«, sage ich und bemühe mich, ein ernstes Gesicht dazu zu machen, obwohl ich mir denke, dass da sicher Gott seine Hand im Spiel hatte. B ’ shert , richtig? Fügung.
»Sag nicht mir, dass es dir leidtut, Amy, sag es Marc.«
Nachdem ich Köter im Hintergarten von der Leine gelassen habe, meint Mom: »Und ich nehme an, du bist Avi.«
Avi schenkt ihr sein Wahnsinnslächeln, fährt seinen ganzen Avi-Charme auf und gibt ihr die Hand. Mein Herz schlägt Purzelbäume, weil ich weiß, er macht das für mich, weil es ihm wichtig ist, dass meine Mom ihn mag. Und vielleicht weil er bei meinem Dad letzte Nacht Pluspunkte eingebüßt hat und er dafür ein paar bei meiner Mom gutmachen will, ehe er abreist. Schlaues Kerlchen.
»Wie alt bist du gleich wieder?«, fragt meine Mom und streicht ihr modelblondes Haar zurück. Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich denken, sie versucht, Pluspunkte bei ihm zu sammeln.
Sei nicht so streng mit ihr, Amy. Sie bringt dich nicht absichtlich in Verlegenheit. Warte, bis sie die Baby-Nacktfotos aus der Schublade holt, dann kannst du immer noch dazwischengehen.
»Achtzehn«, antwortet Avi.
»Und du bist beim israelischen Militär?«
»Ja.«
Mom setzt sich an den Küchentisch. »Und … was machst du da?«
»Mom, er lässt sich zum Kommandosoldaten ausbilden«,
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