Zwischen uns die Zeit (German Edition)
erklären«, unterbricht er mich. » In der Version, an die du dich erinnerst, warst du tatsächlich allein. Aber beim ersten Mal warst du es nicht.«
» Beim ersten Mal?«
» Beim ersten Mal war ich bei dir im Laden. Wir standen vor dem Regal mit den Reiseführern und haben über die Planung unserer Reiseroute gesprochen. Plötzlich wurde die Tür aufgerissen und der Typ stürzte herein. Du bist nach vorn gegangen, um ihn zu bedienen, und da hat er dich gepackt und dir das Messer an die Kehle gehalten. Mich hat er hinter den Regalen nicht bemerkt, dadurch hatte ich Zeit, zu verschwinden.«
Ich denke an den Trick, den Bennett mir– wie lang ist es her? Wirklich nur eine Viertelstunde?– gezeigt hat, als er auf dem Barhocker saß, durchsichtig wurde und kurz darauf an derselben Stelle wieder auftauchte und behauptete, er wäre zu Hause in seinem Zimmer gewesen. Aber das erklärt noch nicht, wieso ich in der einen Sekunde neben einem mit einem Messer bewaffneten Kriminellen im Büro unseres Ladens hockte und in der nächsten mit Bennett inmitten eines Schneesturms im Park.
» Ich bin zu dem Zeitpunkt kurz bevor ich zu dir in den Laden gegangen bin zurückgekehrt, habe ein bisschen abgewartet und mich dann fünf Minuten vor dem Überfall in euer Büro teleportiert und von dort aus die Polizei angerufen.«
Die Stimme aus dem Hinterzimmer. Dann war das seine Stimme gewesen. » Ich habe jemanden reden gehört…« Allmählich kehren einzelne Erinnerungsfetzen zurück, aber ich verstehe immer noch nicht, was passiert ist. Wieso spricht er vom ersten Mal? » Warte, warte, warte… Hast du eben gesagt, dass du… fünf Minuten vor dem Überfall im Büro warst?«
Er nickt. » Ja, genau. Ich bin zurückgereist.«
» In der Zeit?«
Er lächelt verlegen. » Ja… das kann ich nämlich auch.«
» Du bist in der Zeit zurückgereist und hast in den Lauf der Ereignisse eingegriffen und sie verändert?«
Jetzt sieht er fast ein bisschen verlegen aus, als hätte er deswegen ein schlechtes Gewissen. » Es ist nur so eine Art leicht verbesserte Version der Ereignisse. So ähnlich wie ein Neustart beim Computer.«
» Aber warum hast du mir beim zweiten Mal nicht einfach gesagt, dass gleich jemand reinkommt, der den Laden ausrauben will? Oder… du hättest ja auch die Tür abschließen können, dann wäre er gar nicht erst reingekommen.« Ich will nicht undankbar klingen, aber ich muss zugeben, dass es mir lieber gewesen wäre, wenn mir die Erfahrung erspart geblieben wäre, ein Messer an die Kehle gehalten zu bekommen.
» Das mache ich nicht«, sagt Bennett. » Ich verhindere nicht, dass etwas passiert, sondern nehme nur minimale Veränderungen vor, die den Lauf der Ereignisse beeinflussen können. Wenn ich den Überfall ganz verhindert hätte– mal abgesehen davon, dass ich gar nicht weiß, ob ich das gekonnt hätte, weil ich es noch nie ausprobiert habe–, wäre vielleicht etwas noch viel Schlimmeres passiert. Dann hätte dieser Typ womöglich jemand anderen überfallen und mit dem Messer bedroht und wäre nicht gefasst worden oder er hätte dich ein paar Stunden später auf dem Heimweg…« Er beendet den Satz nicht. » Das ist jedenfalls so eine Regel, die ich für mich aufgestellt habe. Ich greife nicht massiv in das Geschehen ein.«
» Du bist also in der Zeit zurückgereist?«
Er nickt. » Ungern zwar, aber in diesem Fall… na ja, habe ich eine Ausnahme gemacht.«
» Und dann hast du bei der Polizei angerufen?«
Wieder nickt er.
» Und warum sind sie dann nicht gekommen?«
» Sind sie doch, nur eben nicht rechtzeitig. Nach dem Anruf habe ich mich vom Büro aus wieder in die Abteilung mit den Reiseführern teleportiert, wo ihr mich nicht sehen konntet. Der Typ war da schon in den Laden gekommen und bedrohte dich mit dem Messer. Als er dich ins Büro zum Tresor gezerrt hat und die Polizei immer noch nicht da war, konnte ich nicht länger warten. Ich musste dich da rausholen.«
Plötzlich wird mir das ganze Ausmaß dessen klar, was Bennett gerade gesagt hat. Er kann nicht nur verschwinden und sich an andere Orte teleportieren. Er kann auch rückwärts durch die Zeit reisen.
Überwältigt, aber auch ziemlich überfordert, lasse ich mich wieder in den Sand fallen und sehe zum Himmel auf.
» Alles okay?«, fragt Bennett. Seine Stimme klingt besorgt.
Ich spüre, wie mein Hinterkopf eine kleine Kuhle in den Sand gräbt, als ich nicke. Er hat recht gehabt: Ich brauche tatsächlich Zeit, um diese Fülle an
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