Zwischen uns (German Edition)
nicht im Compound ist, aber wenn er da ist, schraubt er an Autos rum. Manche der Leute hier, wie meine Eltern zum Beispiel, fahren normalerweise Volvos oder BMWs, aber den Sommer über kurven sie in alten Kisten durch die Gegend. Verbeulte alte Jeeps und verrostete Muscle-Cars, so was halt. Denn im Compound geht es nicht um Geld oder Status, sondern um den Umgang miteinander - und um Gemüseanbau, Blumensäen und den ganzen anderen Scheiß.
Ich komme hierher, seit ich denken kann, und ich weiß nur, dass ich mich diesen Sommer zu Tode langweile.
Hier gibt es nicht viel für mich zu tun. Ich könnte in der Krippe abhängen und ihnen mit den Kleinkindern helfen, aber der Gestank von vollgeschissenen Stoffwindeln macht mich nach einer Weile völlig fertig. Ich könnte im Garten helfen, Unkraut jäten und so, aber es ist der wärmste Sommer seit zwanzig Jahren, und es ist einfach brutal heiß auf den Feldern. Und wofür auch? Ich mag Tomaten noch nicht mal.
Ich bin sechzehn, bald siebzehn, ich besitze keinen Fernseher, keinen Computer, kein Handy, und es gibt hier zwar Unmengen von Kleinkindern und viele Erwachsene, aber nur ein Mädchen in meinem Alter, und mit dem verstehe ich mich nicht sonderlich. Ihre Eltern leben hier das ganze Jahr über, und sie tut so, als wäre sie deshalb ein besserer Mensch als ich, dabei ist es eigentlich andersherum. Sie denkt, Adam Ant war bei Culture Club! Und ich weiß, das wäre andern Leuten egal, aber mich regt es tierisch auf.
Also verbringe ich die meiste Zeit damit, in der Werkstatt rumzuhängen. Hier ist es zwar ziemlich laut, weil immer irgendwo gehämmert und geschraubt wird, aber Vic besitzt ein Radio und hört noch dazu Rock-Sender. Mein kleiner Bruder, Cap, hängt hier auch ab. Er kennt sich mit Autos besser aus als ich. Na ja, eigentlich ist er regelrecht brillant, was Autos angeht. Ich kann vielleicht ein Scheibenwischerblatt austauschen - meine Bestleistung des Sommers - aber Cap kann tatsächlich einen ganzen Motor auseinandernehmen und auch wieder zusammenbauen.
Vic gibt mir trotzdem nie das Gefühl, im Weg zu sein. Geduldig zeigt er mir, welche Teile wohin müssen und wie sie alle zusammengehören. Er hat immer Schmiere an den Fingerknöcheln und unter den Nägeln, selbst wenn er seine Hände an einem der T-Shirt-Fetzen abwischt, die er in einer großen Kiste neben der Werkbank aufbewahrt. Manchmal, wenn er sich mit dem Handrücken den Schweiß von der Stirn wischt, ist auch sein Gesicht dreckig.
Heute ist Cap mit ein paar anderen Kindern schwimmen gegangen, in einem ekligen Teich, der voller Algen ist. Sie haben einen Picknickkorb mitgenommen. So gesunde Sachen wie Hummus, Pita und Gurken aus dem eigenen Garten. Ich würde sterben für einen Cheeseburger mit Pommes und einen Milchshake. Ich sieche nur so dahin diesen Sommer, brate in der Hitze, das Hirn weichgespült von dem pausenlosen Lächeln der Leute hier. Am liebsten würde ich mal so richtig losbrüllen.
Und das mache ich dann auch. Richtig laut und hart, die Fäuste geballt, die Augen geschlossen. Ich stampfe mit den Füßen auf den staubigen Boden vor der Werkstatt, eins-zwei, eins-zwei. Dabei stoße ich mir die Zehen durch meine alten schwarzen Chuck Taylors hindurch an den Scheunenbrettern. Und dann beuge ich mich vor, um meinen Kopf gegen das splitterige Holz zu lehnen, und denke daran, dass nur noch wenige Wochen fehlen. Dass ich normalerweise total traurig bin, das Compound verlassen zu müssen, es dieses Jahr aber nicht erwarten kann.
„Na komm. So schlimm kann‘s nicht sein.“ Vic lehnt im Türrahmen, einen Schraubenschlüssel in der Hand und die Stirn ölverschmiert.
„Ich langweile mich zu Tode.“
Vic zuckt die Schultern. „Ich geb dir was zu arbeiten, Tesla. Das weißt du.“
Aus diesem Grund bin ich hier. Weil er eine Beschäftigung für mich hat. Und weil er vielleicht sein Hemd auszieht, wenn ihm zu heiß wird, und ich zusehen kann, wie ihm der Schweiß den Rücken hinunterläuft, zwischen die Grübchen direkt oberhalb seines Hinterns. Vic trägt seine Jeans tief auf den Hüften und über seine großen schwarzen Motorradstiefel gekrempelt.
Wegen Vic liege ich nachts in meinem Bett wach und wälze mich unruhig in der stickigen Sommerluft hin und her.
Ich weiß alles über Sex. Hier treibt es jeder mit jedem. Niemand spricht darüber, aber es ist kein Geheimnis. Und falls du glaubst, es sei eklig, daran zu denken, wie deine Eltern es miteinander treiben, dann versuch mal, dir
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