Zwischen uns (German Edition)
Wirtschaftsprüfungsunternehmen. Er hatte eine wunderbare Familie und schien glücklich zu sein. Mein Cursor schwebte über dem „Freund hinzufügen“-Button, klickte ihn jedoch nicht an. Es freute mich, dass Chance anscheinend ein glückliches Leben führte, aber ich hatte nicht das Bedürfnis, auch nur ein klitzekleiner Teil davon zu sein.
Chase war nicht verheiratet.
Und er sah gottverdammt gut aus, warum sollte ich lügen. Er hatte unheimlich viele Bilder hochgeladen. Ganze Alben voll: beim Klettern, Fahrradfahren, Rudern. Viele Schnappschüsse mit nacktem Oberkörper, Waschbrettbauch, muskulösen Armen. Einfach zum Anbeißen. Er hatte auch eine Menge Bilder von sich mit immer dem gleichen Typen eingestellt. Den Arm entspannt über der Schulter des anderen. Lachend. Ich sah mir nochmal Chases Profilinformationen an: Da hieß es nur „Single“, aber mir war klar, dass der andere Mann nicht ohne Grund in seinen Alben auftauchte. Vielleicht hatte Chase sich nicht dazu entschieden, es aller Welt direkt mitzuteilen, aber zu übersehen war es nicht.
Ich fügte auch ihn nicht zu meinen Freunden hinzu. Ich hätte es gern getan. Ich hätte ihm gern eine Nachricht geschickt, ihn gefragt, ob er glücklich war. Ob der Grund, warum er nicht mit mir hatte zusammen sein wollen, der war, dass er auf Jungs stand, und nicht, dass er mich nicht so geliebt hatte wie ich ihn. Ich hätte ihn gern so viele Dinge gefragt, tat es aber letzten Endes nicht. Wozu alte Wunden aufreißen.
Ich lenkte mich damit ab, auf der Homepage von Apple zu surfen - mir anzusehen, was ich wollte, aber niemals bekommen würde. Das schien das Motto des Tages zu sein. Ich erinnerte mich an den Duft von Merediths Parfum und wie weich ihr Pullover gewesen war, als sie mich umarmt hatte … Mit einem tiefen Seufzer drehte ich mich auf dem Schreibtischstuhl im Kreis, den Kopf in den Nacken gelehnt, nur meine Füße bewegten sich. Eine Runde nach der anderen, alles um mich herum drehte sich, bis ich einen Zeh in den Teppich bohrte.
Ich hörte auf. Der Raum bewegte sich weiter. Wenn ich jetzt aufstand, würde ich stolpern, vermutlich hinfallen. Der Drehschwindel war zwar nicht so schlimm, dass ich mich übergeben müsste, auch wenn im Nachhinein der Thunfisch vielleicht nicht grade die beste Idee gewesen war. Ich versuchte angestrengt, irgendetwas im Raum zu fokussieren, und drehte mich langsam wieder zum Computer um. Da hörte ich, wie die Haustür ins Schloss fiel, dann das Geräusch von kleinen, tapsenden Schritten auf den Fliesen im Eingangsbereich. Stimmen. Simone kreischte auf, ihr Bruder kicherte wie verrückt. Elaine, ihre Mutter, wies sie matt zurecht. Dann verlagerte sich der Lärm die Treppen hinauf, vermutlich Richtung Badezimmer, wo die Kinder abends immer gewaschen wurden, bevor es Zeit fürs Bett war.
Ich löschte den Verlauf und schloss die offenen Browser-Fenster, bevor ich mich ausloggte. Gerade, als ich meinen Stuhl Richtung Zimmertür drehen wollte, um aufzustehen, kam er herein.
„Hallo, Vic“, sagte ich.
„Hallo.“ Er sah müde aus. So ist das eben, wenn man Kinder hat.
Vic presste sich die Handballen gegen die Augen, dann sah er kurz zum Computer rüber. „Dachte nicht, dass du zu Hause bist.“
„Nicht jeder hat so einen überquellenden Terminkalender voller gesellschaftlicher Verpflichtungen wie du“, neckte ich ihn.
Er verzog schwach einen Mundwinkel. Nur einen. „Wir sind mit den Kindern zu Elaines Mutter, es war Nancys Geburtstag. Hätte ich gewusst, dass du Zeit hast, hätte ich dir Bescheid gesagt.“
„Schon okay. Ich hatte eh zu tun.“ Elaines Familie war mir gegenüber zwar nicht richtiggehend unfreundlich, aber sie strengte sich auch nicht sonderlich an, nett zu sein. Wenn sie hierher kamen oder wir uns woanders trafen, waren wir distanziert, aber höflich zueinander und vermieden die Frage, welche Rolle ich im Leben ihres Schwiegersohns spielte. Zu ihnen nach Hause ging ich nie.
Er nickte. „Ich helfe Elaine mal mit den Kindern. Hast du später Lust auf Resident Evil 4?“
Das war unser Lieblingsvideospiel, vor allem, wenn wir Vics Wii benutzten, mit den Spezialpistolen als Controller.
„Na klar! Soll ich euch beiden helfen?“
„Nö.“ Er zuckte die Schultern und gähnte. „Haben wir im Griff.“
„Wie fühlt sie sich?“ Elaine war mit ihrem dritten Kind schwanger und litt nicht unter Morgenübelkeit. Ihr war einfach den ganzen Tag lang schlecht.
„Beschissen.“ Er zuckte wieder die
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