Zwischen Vernunft und Sehnsucht (Julia) (German Edition)
gut.“
Sein Arm fuhr in die Höhe, als wollte er sie wegstoßen. Oder nach ihr greifen?
„Neiiin!“ Seine Stimme brach vor Schmerz und Hoffnungslosigkeit. „Nein, Ade …“
Chloe berührte ihn sanft an der Schulter. Seine Haut war heiß und feucht. „Beruhige dich, Declan. Es ist nur ein Traum.“
Er rollte sich herum, ergriff ihre Hand und hielt sie fest, wachte jedoch nicht auf.
Stolz, wie er war, hätte er nicht gewollt, dass sie ihn so sah. Seine dunklen Wimpern waren nass von Tränen, sein Körper wurde von Schluchzen geschüttelt.
„Alles ist gut, Declan“, flüsterte sie, dicht über ihn gebeugt. „Es ist vorbei.“
Aber das war es nicht. Erst jetzt wurde Chloe klar, wie sehr ihn der Tod seines Bruders traumatisiert hatte.
Sie erinnerte sich an ein Foto auf seinem Schreibtisch. Es zeigte ihn im Alter von etwa zwanzig Jahren, ein draufgängerisches Grinsen im Gesicht, und den viel jüngeren Adrian in seiner Schuluniform, der bewundernd zu ihm aufsah. In der Mitte, festlich gekleidet und steif lächelnd, standen die Eltern der beiden.
Und nun quälte Declan sich mit Albträumen herum, weil sein Bruder tot war. Dass er noch immer so furchtbar darunter litt, zerriss Chloe das Herz und ließ sein Verhalten ihr gegenüber in einem anderen Licht erscheinen.
„Chloe.“
Sie erschrak. Seine Augen waren noch immer geschlossen, doch sein Atem ging ruhiger, und Declan hielt ihre Hand nicht mehr ganz so fest umklammert.
„Süße Chloe …“ Er schob ihre Hand zwischen seine Wange und das Kopfkissen. „Bleib bei mir.“
Sein tränenfeuchtes, von der Verletzung gezeichnetes Gesicht spiegelte so unmittelbar Declans innere Qualen wider, dass Chloe es nicht fertigbrachte zu gehen.
„Bitte.“ Das kam so leise, dass sie es fast überhört hätte.
Sie konnte ihn nicht verlassen. Nicht jetzt.
Müde ließ sie sich auf dem Teppich vor seinem Bett nieder, die Hand unter seiner warmen rauen Wange. Seit ihrer Auseinandersetzung nach der Party war Declan ihr irgendwie verändert vorgekommen. Stolz und aufrecht wie immer, aber so einsam und allein, als hätte er jeden Halt im Leben verloren.
War sie verrückt zu glauben, dass er sie jetzt mehr denn je brauchte?
Seufzend lehnte Chloe den Kopf an die Bettkante.
Sie würde nicht abreisen. Nicht heute Nacht.
10. KAPITEL
„Declan, Sie sehen furchtbar aus.“
„Danke, David.“ So fühlte er sich auch, nachdem er nun seit Wochen die Wohnung mit seiner kühlen kompetenten Haushälterin teilte, die ihn sorgsam auf Abstand hielt. Er vermisste ihr lebhaftes Temperament, ihre Wärme, ihren schönen anschmiegsamen Körper. Verdammt!
Kein Wunder, dass er viel zu wenig Schlaf bekam.
„Ist noch etwas, oder wollten Sie mir nur ein Kompliment zu meinem Aussehen machen? Warum sind Sie nicht längst zu Hause?“
„Ich habe hier etwas, das Sie sich ansehen sollten.“
Declan rieb sich die müden Augen. Er hatte versucht, sich mit Bergen von Arbeit abzulenken, aber umsonst. Er fand keine Ruhe mehr, seit die Frau, die ihm so wichtig geworden war, sich als skrupellose Glücksjägerin entpuppt hatte.
Aber war sie das wirklich? Er konnte es nicht ausschließen, auch wenn sein Herz etwas anderes sagte.
„Hier, bitte.“ David reichte ihm einen wattierten Umschlag. „Den habe ich gerade erhalten. Er wurde eine Woche vor Adrians Tod abgeschickt. Irgendein Trottel in der Rechtsabteilung hat ihn erst mal zur Seite gelegt, nachdem Adrian gestorben war. Glücklicherweise hat jetzt jemand hineingesehen und ihn weitergeleitet.“
Declan verspürte einen eisigen Schauer im Nacken. Was kam jetzt? Eine weitere Nachricht von seinem Bruder? Doch es war nicht Adrians Handschrift, die er auf dem Umschlag des Wertbriefs erkannte, sondern Chloes. Er hatte sich eingehend mit ihrer Schrift befasst in der albernen Hoffnung, darin einen Hinweis auf ihren Charakter zu finden.
Sein Puls raste, als er ein weißes Blatt hervorzog, auf dem nur eine einzige Zeile stand: Mit der Bitte um Rückgabe an Mr Adrian Carstairs.
Mit zitternden Fingern öffnete er den beigefügten Beutel. Etwas Kühles, Glattes, grün Glänzendes glitt heraus.
„Declan, alles okay? Sie sind leichenblass. Soll ich einen Arzt rufen?“
„Nein, schon gut.“ Declan, der wie gebannt auf das Schmuckstück in seiner Hand starrte, winkte ab. „Machen Sie Feierabend, David.“
Als sein Assistent gegangen war, ließ er das kostbare Armband durch seine Finger gleiten. Es war das wertvollste Stück aus der Sammlung
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