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Zwischen zwei Nächten

Zwischen zwei Nächten

Titel: Zwischen zwei Nächten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edith Kneifl
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für immer weggehen, ohne Alfred noch einmal anzuhören. Seine Vorwürfe und seine unverschämten Forderungen werde ich mir ersparen. Ich möchte nach New York kommen und mit dir noch einmal von vorne anfangen, mit ganz leerem Kopf, wie ein neugeborenes Kind. Das klingt so dramatisch, aber für mich wird es tatsächlich eine Art Neubeginn sein. Du wirst sehen, in New York werde ich wieder zu mir selbst finden und auch wieder arbeiten können. Am liebsten würde ich gleich jetzt mit dir gehen. Es ist nicht so wichtig, wohin man geht. New York ist nichts weiter als ein Symbol, ein Symbol für die Freiheit vielleicht? Ich habe mich für New York entschieden, weil du dort lebst, das ist der wahre Grund. Zusammen werden wir es schaffen, davon bin ich fest überzeugt.“
    Weiter unten am Tisch läßt einer seit Stunden den Kopf hängen. Er stiert unentwegt in sein Glas. Ann-Marie beobachtet bereits eine ganze Weile, wie er Unmengen von Wein in sich hineinschüttet, ohne auch nur ein Wort mit jemandem zu wechseln. Seine Tischnachbarn brechen gerade auf. Sie gesellt sich zu ihm.
    Der Betrunkene schenkt ihr einen flüchtigen Blick; er hat traurige Augen.
    „Prost“, sagt er und stößt sein Glas gegen eine leere Flasche.
    „Sie haben nichts zu trinken? Das geht doch nicht. Wir sind zum Feiern hier. Hochzeiten und Begräbnisse müssen gefeiert werden, wie sie fallen.“
    Er ruft nach dem Kellner.
    Ann-Marie bestellt noch ein kleines Bier. Sie will nüchtern bleiben, einen klaren Kopf behalten, sofern das heute überhaupt möglich ist.
    „Sie sind die Freundin aus Amerika, die beste Freundin? Ja, so Jugendfreundschaften halten oft lange.“
    Er scheint genau Bescheid zu wissen, trotz oder gerade wegen seines Zustandes.
    „Sind extra rübergekommen, ganz schön teurer Spaß. Von wem haben Sie es denn erfahren? Von ihm?“
    Er deutet mit dem Kopf in Alfreds Richtung.
    „Nein, von Frau Maricek. Ich habe angerufen.“
    „Da haben Sie aber Glück gehabt, sonst hätten Sie es womöglich erst Wochen später erfahren. Mir hat es Gerlinde erzählt. Kennen Sie Gerlinde? Nein, woher denn auch. Sie ist technische Zeichnerin, hat auch für sie gearbeitet und war heute ebenfalls eingeladen, ist aber nicht gekommen, hat gesagt, ihr würde speiübel werden beim Anblick all dieser scheinheiligen Figuren. Hat einen empfindlichen Magen, die Kleine. Mir sind die Leute egal, Hauptsache, es gibt etwas zu trinken. Prost! – Ich habe Ihre Freundin gut leiden können. Wir haben so manche Flasche miteinander geleert. Sie hat eine ganze Menge vertragen, fast soviel wie ich. Aber reden wir nicht von ihr, erzählen Sie mir lieber was vom Land der unbegrenzten Möglichkeiten. Ich bin noch nie drüben gewesen. Sie leben in New York?“

Ann-Marie wohnte in einem dreistöckigen Ziegelhaus in der Lower East Side. Sie hatte die Zwei-Zimmer-Wohnung notdürftig renoviert, doch an den feuchten Wänden blätterte bereits wieder die Farbe ab. Sie störte sich nicht daran, sondern schmierte Telefonnummern, Termine, Parolen und was immer ihr gerade einfiel auf die fleckigen Wände. Mitten im größeren Zimmer stand ein Stahlrohrbett, das fatal an ein Krankenhaus erinnerte und tatsächlich aus einem stammte. Da sie abergläubisch war, schlief sie nicht in diesem Bett, sondern legte die Matratze auf den Boden. Das Stahlrohrgestell benützte sie als Ablage für Zeitschriften, Bücher und Schmutzwäsche.
    Ihr Kabinett glich einer Rumpelkammer. Ann-Marie war eine leidenschaftliche Sammlerin, sie konnte einfach alles brauchen, und so häuften sich Lampenschirme, dreibeinige Stühle, kaputte Vasen und anderer Kleinkram. Einmal im Monat veranstaltete sie einen privaten Flohmarkt und schaffte so wieder Platz für neues Gerümpel.
    Da sie ihre beiden Fenster nie putzte, konnte sie auf Vorhänge verzichten. Außerdem störte es sie nicht im geringsten, wenn ihr Gegenüber, ein freundlicher Alter, der ein bißchen wirr im Kopf war, einen Großteil seiner Zeit damit verbrachte, zu ihr hinüber zu starren. Manchmal winkte sie ihm oder warf ihm eine Kußhand zu, dann erschien ein einfältiges Grinsen auf seinem grauen Gesicht.
    Ein überdimensionaler Eiskasten, den sie ebenfalls auf dem Müll gefunden hatte, verstellte die schlauchartige Küche. Es war gerade noch Platz für den Herd, für einen kleinen Tisch und einen Klappsessel. Wenn sie die Küchentür schließen wollte, mußte sie den Sessel zusammenklappen.
    Im Waschbecken neben dem Ofen wusch sie nicht nur ihr

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