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Zwischen zwei Nächten

Zwischen zwei Nächten

Titel: Zwischen zwei Nächten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edith Kneifl
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Anna, sie ist viel zu viel allein gewesen.“
    „Nachdem du weggegangen bist, habe ich jeden Kontakt zur Frauenbewegung verloren.“
    „Wieso hat das mit meinem Weggehen zu tun gehabt?“
    „Weiß ich nicht. Jedenfalls erschienen mir diese Veteraninnentreffen, die immer einen leicht konspirativen Charakter hatten, auf einmal albern und lächerlich. Mir war leid um die Zeit, und ich zog mich aus allen Komitees und Arbeitskreisen zurück. Meine Solidarität beschränkte sich nunmehr auf Spenden. Anfangs riefen noch gelegentlich Frauen bei mir an, luden mich auf ein Fest oder zu einem Wochenendseminar ein, aber ich erfand jedesmal eine andere Ausrede. Schließlich wurden die Anrufe seltener. Trotzdem empfinde ich auch heute manchmal noch große Lust zu spontanen Aktionen. Konfrontiert mit all diesen sexistischen Plakaten und Illustrierten packt mich die alte Wut. Warum geben sich Frauen bloß immer wieder für so einen Scheiß her? Ich kaufe solche Zeitschriften nie, doch leider ist das meine einzige Form von Protest. Zum Glück nehmen mir, was die Plakate betrifft, oft jüngere Frauen die Arbeit ab. Meine Emanzipationsbestrebungen äußerten sich bald nur mehr darin, daß ich abends allein durch die Lokale der Innenstadt zog. Manchmal fand sich eine Freundin bereit, mich zu begleiten. Allerdings nur, wenn sie gerade in einer Ehekrise steckte oder ihren Mann eifersüchtig machen wollte.“
    Ann-Marie betrachtete gelangweilt ihre abgebissenen Fingernägel.
    „Ich weiß, ich rede zuviel. Das müssen die Nerven sein. Aber du wolltest ja unbedingt hören, wie es mir in den vergangenen Jahren gegangen ist. Jedenfalls war ich gern allein unterwegs, gewöhnte mich bald daran, nachts mit dem Leben zu beginnen, und trank täglich. Meistens fing ich schon am Morgen mit dem Trinken an. Ich besuchte immer dieselben Bars. Die Kellner behandelten mich bereits wie eine alte Bekannte und stellten mir unaufgefordert ein Achtel Wein hin. Ich unterhielt mich mit jedem, der mich ansprach, ja ich sprach selbst oft wildfremde Leute an. Und es kümmerte mich wenig, wenn ich meine Gesprächspartner langweilte. Hin und wieder traf ich Bekannte, ehemalige Kollegen von der Akademie oder sogenannte Geschäftsfreunde, und ließ mich von ihnen langweilen. Zu später Stunde zog ich mich dann, mit einem Glas in der Hand, in die dunkelste Ecke der Bar zurück, wo ich von niemandem gesehen werden konnte, und betrank mich still und leise. Obwohl mich diese nächtlichen Streifzüge anödeten, war ich doch immer unter den letzten, die das Lokal verließen.“
    „Und wie ging’s dir mit den Männern? Du willst mir doch nicht weismachen, daß du in all den Jahren keine einzige Affäre gehabt hast.“
    „Äußerst selten, höchstens ein-, zweimal im Jahr ergaben sich vielleicht ein paar Stunden in einem kalten Hotelbett oder in einer fremden, ungemütlichen Wohnung. Mein Typ ist nicht mehr gefragt. Ich gehöre schon zu den ‚Auslaufmodellen‘, wie es ein besonders charmanter Herr einmal formuliert hat. Viel zuviele junge Mädchen in superkurzen Minis, mit tiefem Schwarz auf den Lidern und knalligem Rot auf den Lippen sind heutzutage des Nachts allein unterwegs. Außerdem habe ich, wie du weißt, ein besonderes Faible für einen ganz bestimmten Typ.“
    „Du meinst, du fällst immer noch auf die gleichen Typen rein?“
    „So könnte man es auch ausdrücken. Mich interessieren halt nur diese sogenannten Versager. Was soll ich tun? Ich liebe nun einmal unangepaßte, melancholische und zynische Männer. Komischerweise ist Alfred das genaue Gegenteil. Sein ungebrochener Optimismus und seine naive Fortschrittsgläubigkeit machen mich rasend. Ich habe immer gedacht, Optimismus wäre vor allem ein Zeichen von Arglosigkeit, doch in seinem Fall hat es eine Menge mit Unempfindlichkeit zu tun. Leider waren auch diese tiefen, schwermütigen Männer oft eine Enttäuschung für mich. Sie steckten mich mit ihrer Kaputtheit an, ich fühlte mich ihnen verwandt, aber das begriffen sie nie. Sie hielten mich für eine starke, erfolgreiche Frau und benützten mich, luden nur auf mir ab, laugten mich aus, ja saugten mich richtiggehend aus. Irgendwann begriff ich, daß sich die Männer, die ich in den diversen Lokalen kennenlernte, im Grunde auch nicht so sehr von dem Prachtexemplar unterschieden, das ich zu Hause sitzen hatte. Eitel, selbstgefällig und nur auf ihr eigenes Vergnügen bedacht, leerten sie Bier und Wein in sich hinein, bis sie nicht mehr gerade stehen

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