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Zwischenfall in Lohwinckel

Titel: Zwischenfall in Lohwinckel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Baum Vicki
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versuchen muß, diese russischen Outsider mit ihren Extratouren in das internationale Gummikartell auf irgendeine Weise einzugliedern, darüber sind wir uns ja einig, und ich habe auch Kröningk und Oktave Farin davon überzeugt. Wenn der alte Farin Geschichten macht, fliege ich noch für einen halben Tag nach Paris und spreche mit ihm. Bitte, setze mir aber die Konferenz keinesfalls vor dem 20. an, so lange möchte ich unter allen Umständen hierbleiben. Mir selber geht es zwar anständig, aber ich habe vorläufig eine Art Platzangst vor dem Fahren, es ist blödsinnig, aber nicht zu überwinden. Der Arzt meint, daß es schnell abklingen wird. Du wirst inzwischen erfahren haben, daß unser armer Fobianke tot ist. Dieser Hornochse von einem Doktor hat es mir drei Tage lang verheimlicht, inzwischen ist eine Menge verkorkst worden, und schön war es für mich auch nach drei Tagen nicht. Ich schreibe zugleich an Kellermann, damit das Personalbüro alles Erforderliche für Frau Fobianke tut.‹
    Er schob die austrocknende Feder ein wenig hin und her, zögerte und schrieb dann rasch weiter:
    ›Der Ort, in den es uns verschlagen hat, ist außerordentlich schön, alte Kirche, alte Türme, Stadtmauern. Die Leute viel interessanter und in sich geschlossener als in Berlin, nicht so zum Dutzend abgeschliffen. Sie lesen schwere Bücher, sie musizieren, die Männer sind nichts weniger als dumm, das habe ich schon heraus, und die Frauen heimateln so merkwürdig. Ich habe eine Pflegemutter gefunden, die wie ein Mädchen von achtzehn aussieht, sie muß aber älter sein, denn sie ist schon lange verheiratet. Sie tut meinen chokierten Nerven so gut, daß ich ihrethalben die ganze Schäbigkeit ihres Hauses über mich ergehen lasse, Bett schlecht, Essen schlecht, alles so ausgepowert und der Mann ein Sonderling, so ein richtiger deutscher Querkopf. Möglich sogar, daß er etwas taugt, dieser Doktor, ich fühle manchmal eine Art Freundschaft für diesen Flatterkopf, obwohl ich ihn nicht leiden kann.
    Ich glaube, wir beurteilen die Provinz falsch, sie ist anders, als wir rund um die Gedächtniskirche denken. Ich schreibe Dir das nicht als philosophische Anmerkung, sondern weil die Kenntnis der Provinz wichtig für unsre Propaganda ist – ich mache hier Augen und Ohren auf und werde nach meiner Rückkunft mal mit Flemming darüber reden müssen. Du siehst, ob mit oder ohne Nervenschock, ich bin immer der gleiche, ich bin faul, aber es arbeitet, auch während ich faulenze.‹
    ›Eben, während ich schreibe, ist die Beerdigung unsers armen Fobianke. Ich könnte heulen, daß mir der brave Mensch kaputt gegangen ist. Die zwei andern –‹
    ›Die zwei andern? Nun, und was ist es mit den zwei andern?‹ dachte er unlustig. Sie waren unbeschreiblich weit von ihm abgerückt, diese zwei andern. Plötzlich gab er es auf, weiter zu schreiben, schob den Briefbogen von sich fort und kehrte mit allen Gedanken zu Elisabeth zurück.
    ›Musik also‹ – dachte er. ›Wie soll ich das denn machen? Ich kann ihr doch nicht Furtwängler mit den Philharmonikern nach Lohwinckel schaffen. Man wird also einen Radioapparat besorgen, es gibt da solche schikanösen Dinger, Zwölfröhren, da kann sie Paris hören und London, wenn sie Lust hat – ach was! Ich nehme sie einfach mit nach Berlin und schleppe sie in Konzerte, jeden Abend in ein anderes, bis sie genug hat. Rührend mit ihrem Mozart auf dem alten Pianino. Anziehen müßte man sie natürlich zuerst, bevor man sie in Konzerte läßt. Sie würde sich gut anziehen lassen, so schmal und hochbeinig wie sie ist, ein bißchen übertrieben schmal, wie die Titelblätter auf den Modezeitungen. Bißchen Rouge auf die Wangen und so etwas wie schwarzer Samt und bißchen Hermelin um den Hals –‹
    Peter Karbon verlor sich in Gedanken an eine schwarz-samtene und beglückte Elisabeth, die Beethovensche Symphonien anhörte. ›Ob sie tanzen kann?‹ dachte er gleich hinterher und ohne Zusammenhang. Er selber tanzte leidenschaftlich gern und außerordentlich gut, Gleitflugtechnik nannte Leore Lania seine Manier, weich und diagonal in die Tanzfläche hineinzuschneiden. Ein wenig schwindlig befaßte sich Peter mit der Vorstellung einer tanzenden Frau Persenthein, bis sie selber zurückkam und gar nicht dem Bild in seinem angegriffenen Kopf entsprach. Sie hatte nämlich eine große Latzschürze umgebunden und trug einen Kohleneimer vor sich her. »So«, sagte sie, ging vor dem Ofen in die Knie und begann mit

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