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Zwischenspiel: Roman (German Edition)

Zwischenspiel: Roman (German Edition)

Titel: Zwischenspiel: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Maron
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üblichen Trauerrituale nicht gestört, wenn es mir irgendwie gelungen wäre, an ihnen teilzuhaben. Diesmal war ich also davongekommen. Ich hatte mich bemüht, aber nun war es zu spät.
    Ziellos fuhr ich weiter, immer der Hauptstraße nach. Irgendwo würde ich eine Straße oder Kreuzung erkennen und dann wissen, wie ich wieder nach Hause finden könnte. Auf Straßenschilder oder Wegweiser konnte ich mich nicht verlassen, weil mir selbst große Buchstaben immer noch vor den Augen verschwammen. Die Straße schlängelte sich in großen Bögen durch Häuserfronten, vorbei an Parkanlagen, Werbetafeln, kleinen Grünanlagen, wurde allmählich schmaler, so dass die Äste der Bäume, die links und rechts aus dem Pflaster der Bürgersteige wuchsen, sich in der Mitte berührten und wie bei alten brandenburgischen Chausseen ein durchlässiges Dach über der Fahrbahn bildeten, was mich annehmen ließ, dass diese Straße nur stadtauswärts führen konnte, wohin ich aber auf keinen Fall wollte. Als rechts von mir die Häuser plötzlich endeten und nur noch Sträucher und Bäume zu sehen waren, davor eine sandige Ausbuchtung, auf der zwei Autos parkten, bog ich kurz entschlossen ein, stellte mein Auto neben den anderen ab und stieg aus.
    Nach ein paar Schritten über einen von dicken Wurzeln durchzogenen Weg umfing mich kühles, zerfließendes Grün, in dem ich erst nach und nach kleine weißschäumende Inseln wahrnahm, blühende Sträucher, Spiraea vielleicht oder falscher Jasmin. Ein süßer Blütenduft hing in der Luft, und mir war, als hätte meine Irrfahrt mich zu einer Oase der Seligkeit geleitet. Ich setzte mich auf eine Bank, atmete ein paarmal tief ein und aus, wobei ich wohl leicht geseufzt haben muss, denn plötzlich fragte eine Stimme, die nur Olgas sein konnte: Seufzt du vor Erleichterung, nur weil du nicht bei meiner Beerdigung sein musst?
    Aber du bist doch selbst nicht da, wenn du hier bist.
    Ich kann jetzt überall sein, hier und da, sagte Olga und streckte ihre Beine unter dem langen weißen Totenhemd weit von sich.
    Ich komme ein anderes Mal. Allein, sagte ich.
    Wie im Leben, sagte Olga.
    Ja, nachdem Hermann mich rausgeschmissen hat, weil ich bei deinem fünfundsechzigsten Geburtstag ein Glas Rotwein auf Rosis neues lachsfarbenes Kleid geschüttet hatte, weißt du noch?
    Olga lachte. Sie hat das Kleid später schwarz gefärbt, aber der Fleck ist geblieben. Ich weiß gar nicht mehr, worüber ihr gestritten habt.
    Sie legte ihren Kopf leicht in den Nacken, saß eine Weile reglos wie ein witterndes Tier, als suche sie in den vorbeiziehenden Luftschwaden nach ihrer verlorenen Erinnerung.
    Es ging um Hendriks Buch, sagte ich.
    Ich fand seltsam, dass Olga sich an den Fleck auf dem schwarzgefärbten Kleid erinnerte, aber nicht an den vorangegangenen, folgenschweren Streit, den ich wie eine jederzeit abspielbare Filmszene gespeichert hatte.
    Hendrik, mit dem ich damals schon einige Zeit zusammenlebte, hatte seinen Roman nach jahrelangen Querelen mit der Zensurbehörde beim Suhrkamp Verlag in Frankfurt am Main veröffentlicht. Und Rosi, deren Freundin im Kulturministerium arbeitete, hatte behauptet, schon »so einiges darüber gehört« zu haben. Was sie denn so gehört habe, wollte ich wissen, und Rosi sagte, das Buch solle ja ziemlich provokant sein, worauf ich sagte, es komme darauf an, wer das Buch liest.
    Na ja, sagte Rosi darauf mit diesem dämlich hochmütigen Lächeln der Wissenden, das in mir jedes Mal die Lust aufkommen ließ, in so ein lächelndes Gesicht einfach reinzuschlagen. Na ja, sagte Rosi, wenn man solche Reizwörter wie Stasi und Mauer in ein Buch reinschreibt, dann muss man sich doch nicht wundern, wenn es nicht gedruckt wird.
    Aber die Mauer und die Stasi gibt es doch, sagte ich.
    Bernhard, der bis dahin mit seinem Vater gesprochen, aber offenbar den Disput zwischen seiner Frau und mir mitgehört hatte, mischte sich ein. Ein Roman sei schließlich kein Lexikon, in dem alles vorkommen müsse, was es gibt. Die Literatur lebe von Metaphern und Gleichnissen und nicht von der plumpen Benennung der Wirklichkeit. Man müsse nicht die Wörter Stasi und Mauer benutzen, um über Gewissensnöte zu schreiben.
    Muss man nicht, sagte ich. Aber darf man auch nicht?
    Rosi schüttelte verständnislos den Kopf. Mein Gott, Ruth, nun stell dich doch nicht dümmer, als du bist. Wenn jemand Mauer und Stasi schreibt, dann will er offenbar, dass sein Buch nicht gedruckt wird, jedenfalls nicht hier bei uns.
    Sie nippte an

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