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Zwischenspiel: Roman (German Edition)

Zwischenspiel: Roman (German Edition)

Titel: Zwischenspiel: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Maron
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mit Alltäglichem zu erklären, bis sie nicht mehr wegzuwischen waren mit Hendriks oder meiner Überlastung und kleinen Misserfolgen. Wenn Hendrik auf Reisen war, rief er mich nur noch selten oder auch gar nicht mehr an, die Tür zu seinem Arbeitszimmer war plötzlich oft verschlossen, oder er verschloss sie auffällig leise, nachdem das Telefon geklingelt hatte, nichtige Streitigkeiten verdunkelten die Stimmung manchmal tagelang. Ich hatte mir angewöhnt, lange vor Hendrik aufzustehen und allein zu frühstücken, weil ich mir von seiner morgendlichen Unzufriedenheit, früher eine Ausnahme, dem schweigsamen Zeitunglesen, seinen müden, teilnahmslosen Blicken den Tag nicht verderben lassen wollte. Trotzdem hielten wir die äußere Ordnung unseres Lebens aufrecht. Wir gingen ins Theater, ins Kino, besuchten ab und zu Freunde oder luden sie ein, wir fuhren gemeinsam in den Urlaub. Bis mir eines Tages eine Freundin erzählte, sie habe Hendrik in Frankfurt mit einer Frau in liebevoller und keineswegs nur freundschaftlicher Umarmung gesehen. Die Frau sei hübsch und deutlich jünger gewesen, das Übliche eben, sagte die Freundin. Es war eine Nachricht, auf die ich schon lange vorbereitet war und mit der ich nun, nachdem sie eingetroffen war, nichts anzufangen wusste. Ich tat genau das, was ich an anderen Frauen in ähnlicher Lage immer verachtet hatte. Ich fragte nichts, weil ich fürchtete, die Wahrheit, einmal ausgesprochen, würde nach einem Bekenntnis verlangen und das Bekenntnis nach einer Entscheidung, die sich aber, wenn ich die letzten Monate, sogar schon Jahre bedachte, vermutlich gegen mich richten müsste. Wenn ich selbst unser Leben als liebesentleert und oft genug kränkend empfand, warum sollte Hendrik dann nicht im Rausch der Verliebtheit dem verheißungsvollen Sog einer neuen Leidenschaft, dem Traum von seiner jugendlichen Wiederauferstehung erliegen. Obwohl ich es besser wusste, redete ich mir ein, ohne Hendriks Eingeständnis sei noch nichts geschehen. Ich schwieg und wurde furchtbar. Ich durchsuchte seine Taschen, fahndete im Telefon nach der letzten von ihm gewählten Nummer, einmal rief ich sogar in seinem Verlag an und behauptete, mein Mann habe seine Reiseunterlagen verlegt und mich beauftragt, um eine Kopie zu bitten. Ich war mir widerwärtig, aber ich schämte mich nicht. Wer belogen und betrogen wurde, sagte ich mir, hatte das Recht, nach der Wahrheit zu suchen. Aber ich war zu feige, danach zu fragen. Das Schlimmste an unserer Trennung war das durch und durch Gewöhnliche. Hendriks Lügen, mein entwürdigendes Spionieren. Am En- de haben wir einander gehasst für das, was aus uns geworden war.
    Ich wollte nicht an Hendrik denken.
    Nicki führte mich über einen schmalen Weg in den hinteren Teil des Parks, ein weniger übersichtliches Areal, über dem immer noch das Gemisch aus nicht zu deutenden Geräuschen hing, jetzt etwas leiser, als hätte es sich inzwischen entfernt. Nicki wandte sich zielstrebig nach rechts und erhöhte das Tempo. Wenn der Abstand zwischen uns zu groß wurde, kam er zurück, rannte wieder voraus, kam wieder zurück. Die Zunge hing ihm aus der Schnauze, und er sah aus, als würde er lachen. Er hatte offenbar ein Ziel, und ich folgte ihm willenlos. Hinter einem hohen Gesträuch bog er scharf nach links ab, und ehe ich sah, wohin es ihn gezogen hatte, roch ich es: ein rauchiger Dunst von Grillwurst vernebelte die Luft. Auf einer kreisrunden Lichtung stand eine kleine Holzhütte, davor ein paar Tische und Stühle, eingehegt von einem eher symbolischen Zäunchen. Nicki saß vor der Hütte, direkt unter der Verkaufsluke, die Schnauze hochgereckt, und blickte abwechselnd zu mir und nach oben, woher ihm der Duft in die Nase stieg. Der Mann in der Hütte lachte, als er den Hund sah, und sagte: Na, du schon wieder?
    Wieso, kommt der öfter?, fragte ich.
    Der Mann muss wohl die drohende Enttäuschung in meinem Gesicht gesehen haben und wollte dem Hund nicht das Geschäft verderben.
    Nee, nee, war nur so eine Redensart, sagte er.
    Nickis blaue Augen, aus denen in diesem Moment alles Geheimnisvolle verschwunden war, signalisierten mir nur das Wort Wurst.
    Er ist eben ein Hund, dachte ich, was aber nichts daran änderte, dass er sich an diesem Tag mir zugesellt hatte, ohne zu wissen, ob er mich zu dieser Würstchenbude lotsen könnte und ich ihm dann auch wirklich eine Wurst kaufen würde. Den Verdacht, Nicki könnte ein besonders raffinierter Abschlepper sein, der in mir nur ein

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