Zwischenstation Gegenwart (German Edition)
Wochen, was konnte da schon Weltbewegendes passiert sein?
Um mich abzulenken, hatten meine Eltern auch meine Brüder zum Abendessen eingeladen. Meine Mutter war ganz in ihrem Element und stürzte sich mit Feuereifer auf die Zubereitung des außerplanmäßigen Festmahls. Da ich nicht unnütz herumstehen wollte, hatte ich mir ebenfalls eine Schürze umgebunden und half meiner Mutter. Ich verbrachte meine Zeit gerne mit Kochen und der Vorbereitung des Essens. Hinzu kam, dass Kartoffelschälen und Gemüseschnipseln mich dazu zwangen, mich auf die Sache zu konzentrieren und ich nicht mehr ununterbrochen an meinen Geisteszustand denken musste. Zumal meine Mutter ununterbrochen plapperte und mir den Klatsch und Tratsch der letzten Wochen aus der Nachbarschaft erzählte. Wenigstens wusste ich jetzt, dass die Nachbarin gegenüber schon seit einiger Zeit ein Verhältnis mit, man halte sich fest, dem Briefträger hatte. Und dass der ihr angetraute Gatte zu einem anderen Nachbarn gezogen war und die beiden seitdem ein Herz und eine Seele waren. Was hatte ich das Leben auf dem Land vermisst! Hier wusste man noch immer, was der Nachbar tat, und man hatte immer etwas, worüber man sich unterhalten konnte. Nein, natürlich meinte ich es nicht so! Ich war mehr als dankbar dafür, dass ich in einer etwas größeren Stadt wohnte, wo nicht jeder jeden kannte und sich das Maul über einen zerriss.
Als Stefan und Patrick kamen, gab es erst einmal ein großes Hallo. Ich hatte das Gefühl, das s ich die beiden schon lange nicht mehr gesehen hatte. Was, wie ich feststellte, auch so gewesen war, denn ich war – welch eine Überraschung – so beschäftigt gewesen. Ich wollte wirklich gerne wissen, was ich in diesen Wochen getan hatte, dass ich derart unabkömmlich gewesen war.
»So, meine Kleine, dann erzähl mir doch mal, was du in letzter Zeit so getrieben hast!«, zog Stefan mich auf, kurz nachdem wir uns am Tisch zum Essen niedergelassen hatten. Sein Spruch brachte ihm sofort einen liebevollen Klaps meiner Mutter auf den Hinterkopf ein. Gespielt empört rieb er sich die Stelle und murmelte etwas von Kindesmisshandlung.
»Anstatt deine Schwester auf den Arm zu nehmen, solltest du zusehen, wie du ihr helfen kannst!«, schimpfte mein Vater ihn.
»War doch nur ein Spaß«, rechtfertigte sich Stefan, lenkte aber das Thema doch in ungefährlichere Bahnen und begann von seiner Arbeit als Architekt und seinem neuesten Projekt zu berichten. Auch Patrick tat sein Bestes, um mich auf den neuesten Stand seines Lebens zu bringen. Erleichtert stellte ich fest, dass er noch mit Anne zusammen war. Insgeheim hatte ich schon Angst gehabt, dass die beiden sich getrennt hatten, weswegen ich es unterlassen hatte , nach ihr zu fragen.
Wir waren gerade beim Nachtisch angelangt, als es an der Tür klingelte. Hatte meine Mutter vor , eine Party für mich zu schmeißen und die ganze Nachbarschaft eingeladen? Doch auch Mama hatte keine Ahnung, wer da noch zu uns stoßen könnte, stand aber rasch auf, um nachzusehen. Vom Flur drang Stimmengemurmel zu uns, das aber keiner von uns verstand. Als Mama mit glänzenden Augen und den Worten »Du hast Besuch, Laura« zurück in die Küche kam, war ich völlig verblüfft und brauchte einen Moment, bis ich mich wieder gesammelt hatte. Phil Berger stand in der Küche meiner Eltern! Wie hatte er mich ausfindig gemacht und vor allen Dingen: Was wollte er hier? Er war doch nur mein Kollege und ganz sicher nicht mein Lieblingskollege. Wir waren in den letzten Wochen immer wieder heftig aneinandergerasselt und zwischen uns flogen andauernd die Fetzen. Doch warum hatte ich dann plötzlich solches Herzklopfen? Ich hatte mir doch geschworen, nichts mehr mit Kollegen anzufangen! Außerdem wusste er um seine Attraktivität und setzte sie bei jeder sich bietenden Gelegenheit und Frau ein. Er war ein Hallodri und weit davon entfernt, gut für mich zu sein. Und doch reichten alle Argumente nicht aus, um mein Herz langsamer schlagen zu lassen. Er hatte doch vorher keinen solchen Eindruck auf mich gemacht. Warum jetzt?
»Was machst du hier?«, fragte ich dementsprechend unhöflich. Sein unerwartetes Auftauchen hatte mich völlig aus dem Konzept gebracht und ich wusste nicht, warum ich seit Neuestem immer dieses Herzflattern hatte, wenn er in meiner Nähe war.
»Möchtest du mich nicht erst einmal vorstellen?«, entgegnete er, ohne auf meine Frage einzugehen, ganz so, als sei er ein erwarteter Gast gewesen. Ich besann mich also
Weitere Kostenlose Bücher