Zwischenstation Gegenwart (German Edition)
in Ordnung gewesen. Es war wahrscheinlicher, dass die beiden genauso planlos waren wie die anderen Ärzte zuvor auch.
»Und alles, was nach dem Autounfall geschehen ist, haben Sie vergessen?«, hakte Dr. Lermin noch einmal nach und sah mich aus seinen blauen Augen ernst an. Irgendwie erinnerten sie mich an jemanden, ich kam aber nicht darauf, an wen. Ich nickte.
»Glauben Sie, dass es etwas damit zu tun hat?« Dr. Lermin tauschte erneut einen kurzen Blick mit seiner Kollegin aus und sie schien ihm zuzunicken.
»Vielleicht. Genaueres können wir Ihnen leider nicht sagen, dazu müsste man noch weitere Tests mit Ihnen durchführen! Wir haben für den Moment keine weitere n Fragen mehr. Einen schönen Tag«, wünschte mir Dr. Lermin und auch Dr. Schmitzke verabschiedete sich von mir.
Noch mehr Tests? Das gefiel mir gar nicht. Anscheinend hatten die beiden Ärzte die Tür nicht richtig geschlossen, denn sie öffnete sich langsam wieder und gab den Blick auf den Flur frei. Dass jeder, der vorbeiging, in mein Zimmer schauen konnte, wollte ich auch nicht. Also erhob ich mich seufzend von meinem Bett und ging zur Tür, um sie zu schließen. Ich hatte die Tür schon fast geschlossen, da sah ich, wie Dr. Lermin auf einen Mann zuging, der am anderen Ende des Flurs auf einem der Stühle saß. Als er den Doktor sah, sprang er aufgeregt auf und redete hektisch auf ihn ein. Ich schaute genauer hin und glaubte meinen Augen nicht zu trauen. Das war doch mein Kollege, Phil. Was machte er hier und warum sprach er mit meinem Arzt? Oder ging es etwa gar nicht um mich? Vielleicht hatte er durch Zufall auch einen Verwandten hier auf der Station. Das Leben selbst war voller Zufälle, warum nicht auch so etwas? Vielleicht war er deshalb am Morgen bei mir gewesen, weil er durch Zufall meinen Namen an der Tür gesehen hatte. Zu gerne hätte ich gewusst, worum es in dem Gespräch ging, denn Phil sah in der Tat ziemlich aufgebracht aus, wild gestikulierte er während seiner Unterhaltung. Schade, dass ich zu weit weg war und keines ihrer Worte verstehen konnte, daher begnügte ich mich damit, sie weiter zu beobachten. Wenige Momente später blickte er in die Richtung meines Zimmers und schien zu bemerken, dass ich die ganze Zeit an der Tür gestanden und sie beobachtet hatte. Bei meinem Anblick verwandelte sich seine Miene und wirkte mit einem Mal traurig und hoffnungslos. Er machte eine Geste zu Dr. Lermin, der daraufhin auch kurz zu mir hinsah, und sofort liefen sie zusammen den Flur entlang, bis sie sich außerhalb meiner Sichtweite befanden. Ich hätte wirklich zu gerne gewusst, worüber die beiden gesprochen hatten. Etwas in mir sagte mir, dass es um mich gegangen war. Wie konnte Dr. Lermin es wagen, mit diesem Kerl über mich zu reden, er hatte immerhin Schweigepflicht! Und warum war mein Kollege bitte so sehr besorgt um mich? Einen besonders mitfühlenden und besorgten Eindruck hatte er mir in den Wochen zuvor auch nicht gemacht. Das Einzige, worum er da besorgt schien, war die Gefahr, ein Wochenende ohne neue Verabredung zu verbringen.
Die Ärzte im Krankenhaus tobten sich an mir aus und es dauerte zwei weitere Tage und gefühlte siebenhunderttausend Untersuchungen, bis sie feststellten, dass sie nichts feststellen konnten, und mich entließen. Ich hatte meine kleine Reisetasche, die mir Marie am Tag nach der Einlieferung gebracht hatte, bereits gepackt und saß reisefertig in meinem Zimmer und wartete darauf, dass meine beste Freundin mich abholte. Ich wollte nur noch hier raus; ich hatte die Nase gestrichen voll. Von Untersuchungen, die nichts brachten, dem Essen, das nicht schmeckte, und dem schrecklichen Pfefferminztee, den es zu jeder Tages- und Nachtzeit zu geben schien. Als es an der Tür klopfte, rief ich freudig »Herein«, da das nur Marie sein konnte, die mich endlich erlöste. Aber statt der kleinen, zierlichen Gestalt Maries schob sich die rundliche Figur meiner Mutter durch die Tür. Oh Marie, wie konntest du nur, fluchte ich in Gedanken.
»Mama, das ist aber eine Überraschung«, rief ich stattdessen laut aus.
»Mein armes Lämmlein, was ist nur los mit dir? Warum hast du uns nicht angerufen? Hast du uns etwa auch vergessen?« Mit diesen Fragen stürmte sie in meine Richtung, und ehe ich bis drei zählen konnte, hatte sie mich in ihre Arme gezogen und umarmte mich schraubstockartig. Das mit der Amnesie war vielleicht gar nicht mal so schlecht, wann immer mir etwas nicht passte oder ich etwas nicht wollte, konnte
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