Zwischenstation Gegenwart (German Edition)
konnte, wieder nach Hause zu gehen. Langsam trottete ich auf dem Bürgersteig nach Hause, immer noch darüber grübelnd, warum ein Teil von mir sich so stark zu Phil hingezogen fühlte und ein anderer Teil ihn verabscheute.
Im Haus meiner Eltern wurde ich im Flur von meinen Brüdern in Empfang genommen.
»Wo warst du? Dieser Schönling ist schon vor fünf Minuten mit dampfenden Reifen hier weggefahren«, fragte Patrick besorgt.
»Nachdenken«, gab ich zur Antwort.
»Du hast geweint! Hat er dir wehgetan? Dem Mistkerl zeige ich es!«, brauste Stefan auf. Der Gedanke, wie mein Bruder, der fast zwei Köpfe kleiner war als Phil, gegen ihn kämpfen wollte, ließ mich kurz schmunzeln.
»Nein, alles in Ordnung. Ich bin nur so frustriert über die ganze Situation und deswegen habe ich geweint.« Das war ja auch nur ein winziges bisschen geflunkert, meine Lage ging mir tatsächlich an die Nieren.
»Sag mal , Schwesterlein, der Kerl ist wirklich nur Lehrer? Ich meine, hast du dir mal sein Auto näher angesehen? Das ist ein Wagen, dessen Preis gut und gerne im sechsstelligen Bereich liegt! Wie kann er sich das leisten?«
»Weiß ich nicht und es ist mir ehrlich gesagt auch schnurzpiepegal! Können wir das Thema Phil Berger einfach fallen lassen? Es gibt Wichtigeres auf der Welt«, fauchte ich meine Brüder an, die sich jedoch nicht so leicht zufriedengaben, nur weil ihre kleine Schwester es so wünschte.
»Ist da was zwischen euch?«
»Oder kannst du dich nicht mehr dran erinnern?«, streute Stefan Salz in meine Wunde.
»Nein, da ist nichts zwischen uns und da wird auch nie etwas sein!« Wieder wurde meine Stimme lauter, doch bevor meine Brüder mich weiterhin piesacken konnten, wurden sie von meinem Vater unterbrochen.
»Jetzt lasst eure Schwester in Frieden! Sie hat es so schon schwer genug, da müsst ihr sie nicht noch ärgern. « War mein Vater schon bisher immer mein Held gewesen, so stieg er gerade in den Rang eines Superhelden auf. Maulend verzogen sich meine Brüder in Richtung Wohnzimmer. Mein Vater studierte mich aufmerksam.
»Das war nicht nur ein Krankenbesuch, oder?« Ich schüttelte den Kopf.
»Du weißt, dass du jederzeit mit uns reden kannst, wenn du möchtest.« Würde ich ja, wenn ich mich erinnern könnte.
»Ich weiß, Papa. Entschuldigst du mich jetzt bitte ? Ich bin doch ziemlich geschlaucht und möchte gerne ins Bett. Sag Mama ›Gute Nacht‹ von mir!« Ich ging zu meinem Vater, gab ihm einen Kuss auf die Wange und machte mich auf den Weg in mein Zimmer.
»Gute Nacht, Kleines. Morgen sieht die Welt bestimmt ganz anders aus.« Wenn er doch nur recht hätte. Warum konnte er nicht der Zauberer sein, für den ich ihn während meiner Kindheit gehalten hatte, dann könnte er mir meine Erinnerung ganz einfach wieder herzaubern.
4 . Kapitel
Zwar hatte ich am Vorabend vorgegeben, dass ich zu Bett wollte, weil ich müde war. Das hatte ich jedoch nur vorgeschoben, damit ich endlich alleine sein und über meine Begegnung mit Phil nachdenken konnte. Doch egal wie ich es drehte und wendete, ich kam zu keinem abschließenden Ergebnis. Mir kam seine Behauptung, wir seien ein Paar, so unglaublich unwahrscheinlich vor. Alleine schon unser äußeres Erscheinungsbild verriet, dass wir aus zwei unterschiedlichen Welten kamen. Er sah aus, als hätte er seinen Einberufungsbefehl nach Hollywood verpasst, und ich war zwar nicht potthässlich, aber dennoch weit davon entfernt, mit ihm zusammen eine Art neue Brangelina zu bilden. Und soweit es meine Erinnerungen zuließen, hatten wir uns immer nur gestritten und waren in den seltensten Fällen einer Meinung gewesen. Das konnte kaum der Grundstock für eine funktionierende Beziehung gewesen sein. Oder war unsere Beziehung eine, die nur auf Sex basierte? Was aber nicht erklärte, warum er mir hinterherlief. Oder war es dermaßen gut gewesen, dass er nicht genug von mir bekommen konnte und unbedingt weitermachen wollte? Mit dieser Variante hätte ich mich durchaus anfreunden können, aber ich befürchtete, dass es andere Gründe gab, weswegen er mich verfolgte. Ich wälzte mich in der Nacht hin und her, kam aber zu keinem Ergebnis, sodass ich irgendwann vor lauter Müdigkeit über diesem Rätsel einschlief.
Eine Heimkehr für längere Zeit ins Elternhaus ist, meiner Ansicht nach, immer mit einem Zeitsprung um mehrere Jahre in die Vergangenheit verbunden. Egal wie alt man tatsächlich war, in dem Augenblick, in dem man seine Zelte wieder bei Mama und
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