Zwischenstation Gegenwart (German Edition)
und schleimst dich beim Direktor ein. Alle Schüler wollen dich auf Klassenfahrten oder Wandertage mitnehmen. Und zur Krönung meinst du noch, dir den begehrtesten Junggesellen der Stadt schnappen zu müssen«, keifte sie mich an. Oha, da war aber jemand mit dem falschen Fuß aufgestanden.
»Corinna, jetzt beruhige dich doch erst mal. Was ist denn in dich gefahren? Es gibt nun mal Lehrer, die sind bei ihren Schülern beliebter als andere, was aber lange noch nicht heißt, dass die weniger beliebten Lehrer schlechter sind. Und wenn ich mich mit den Kollegen gut verstehe, dann deshalb, weil ich es bevorzuge, ein gutes Verhältnis zu meinen Kollegen zu haben. Und Herr Berger war derjenige, der mich gefragt hat, ob ich mit ihm essen gehe. Es war ein Essen, mehr nicht. Mag sein, dass er reich ist, mir bedeutet es nichts. Ich verstehe nicht, warum du deswegen so ausrastest. Wir sind erwachsene Menschen, also sollten wir uns auch so verhalten und nicht wie die Teenager, die da draußen gerade dabei sind, heimlich zu rauchen!«, versuchte ich so ruhig und gelassen, wie es nur ging, zu erwidern. Sich auf eine hitzige Diskussion mit ihr einzulassen war sinnlos. Ich verstand auch den Auslöser für ihren plötzlichen Zorn nicht und hatte eher Mitleid mit ihr, als dass ich wütend auf sie war. Vielleicht war eines ihrer Kinder krank, sie bekam zu wenig Schlaf und war neidisch auf mein Leben als ungebundene Frau. Möglicherweise hatte sie erkannt, dass es nicht immer der Himmel auf Erden war, eine Mutter zu sein, und sie ließ ihren Frust deshalb an mir aus. Vielleicht hatte ihr Mann eine dumme Bemerkung gemacht; was immer es war, es hatte meiner Meinung nach nicht direkt mit mir zu tun. Ich war nur ihr Ventil zum Dampfablassen.
»Du glaubst auch, die Weisheit mit Löffeln gefressen zu haben. Aber warte nur ab, dir wird dein Lachen noch vergehen, es ist nicht immer alles eitel Sonnenschein. Auch im Paradies gibt es Wolken. Und glaube ja nicht, dass du etwas Besseres bist, weil du mit Berger ausgehst. Er wird deiner sicherlich sehr bald überdrüssig sein.« Ohne eine weitere Erklärung abzugeben, drehte sie sich um und ging zu einer Gruppe von Lehrern, die uns aus sicherer Entfernung beobachtet hatte. Kaum war sie zu ihnen gestoßen, ging das Getuschel los. Wie eine einzige Verabredung die Welt verrückt machen konnte, war einfach nicht zu glauben. Ich drehte mich um und war überrascht zu sehen, dass Phil in meiner unmittelbaren Nähe stand.
»Wie lange stehst du schon hier?«, fragte ich ihn giftig.
»Schon etwas länger«, erwiderte er. Irrte ich mich oder konnte ich da den Hauch eines Lächelns um seine Mundwinkel entdecken? Schön, dass wenigstens einer von uns seinen Spaß hatte.
»Dann hast du wohl mitbekommen, was heute hier los ist! Findest du das lustig? Lass dir eins gesagt sein: Ich finde es nicht lustig! Mir reicht mein anderes Problem, da muss ich mich nicht auch noch einem Rudel hungriger Wölfe zum Fraß vorwerfen lassen! Meinst du nicht, dass du mir ein wenig zur Seite stehen könntest? Du hast mich immerhin in diesen Schlamassel gebracht«, zischte ich ihm zu.
»Den Eindruck hatte ich eigentlich nicht, ich fand, dass du die Sache gut unter Kontrolle hast.«
»Ach ja? Und deshalb lässt du mich hier alleine gegen das ankämpfen?«
»Wie gesagt, ich kenne dich als sehr selbstbewusste Frau, die durchaus in der Lage ist, mit schwierigen Situationen umzugehen. Du bist nicht der Typ Frau, der auf den Ritter in der schimmernden Rüstung wartet, damit er dich aus den Klauen des Drachen rettet. Bevor der Drache dich frisst, erschlägst du ihn lieber selbst«, erklärte er mit einem leichten Anflug eines Lächelns um seine Lippen. Es stimmte, ich war nicht unbedingt der Typ ›Jungfrau in Nöten‹, aber in diesem Fall wäre es wünschenswert gewesen, dass er mich unterstützt hätte.
»Wann habe ich denn Drachen erschlagen?« Seine Worte waren, wie so vieles, was er von sich gab, mehr als rätselhaft.
»Hör zu, wegen Samstag …«, setzte er an, ohne auf meine Frage einzugehen.
»Frau Simon, Herr Berger, könnten Sie bitte in mein Büro kommen?«, unterbrach uns die Stimme des Direktors. Wir blickten uns ratlos an, folgten aber seiner Bitte und gingen mit ihm.
»Bitte setzen Sie sich«, forderte er uns auf und wir nahmen auf den Stühlen vor dem Schreibtisch Platz. Er schaute einen Moment zwischen Phil und mir hin und her, als könne er sich nicht entscheiden, wie er anfangen sollte.
»Sie beide
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