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Zwischenstation Gegenwart (German Edition)

Zwischenstation Gegenwart (German Edition)

Titel: Zwischenstation Gegenwart (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Neumann
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Du zitierst ständig aus irgendwelchen Shakespearestücken und deine Lieblingstasse ist diejenige, die du dir aus Stratford-upon-Avon mitgebracht hast. Und sobald irgendjemand auf die Idee kommt, die Sprache auf die Urheberschaft von Shakespeares Stücken zu bringen, und es wagen sollte, den Earl of Oxford zu erwähnen, springst du der armen Person fast an den Hals.« Er kannte mich wirklich, er hatte das nicht nur so daher gesagt. Es stimmte wirklich, unsere Beziehung basierte nicht nur auf Sex. Wenn ich doch nur auch etwas über ihn wüsste! Und damit meinte ich nicht die Dinge, die ich gerade erst über ihn gelernt hatte, sondern auch Wissenswertes aus der Zeit davor! Nun, was nicht ist, kann ja noch werden, dachte ich und merkte, dass mich die Aussicht darauf ziemlich euphorisch stimmte.
    »Und genau deshalb freue ich mich auch so auf die Vorstellung im Globe Theatre«, antwortete ich, ohne näher auf seine Ausführungen einzugehen. Ich musste diese Information erst einmal verarbeiten, freute mich aber insgeheim diebisch darüber.
    »Klar, wenn man darauf steht, dass man drei Stunden draußen in der Kälte steht und es eventuell regnen könnte, dann ist es bestimmt ein Riesenspaß!«, frotzelte Phil.
    »Wirst du wohl die Klappe halten, die Schüler wissen noch nichts von ihrem Glück«, raunzte ich ihn leise an und grinste verschwörerisch.
    »Du hinterhältiges Biest, du! Ich lerne ja ganz neue Seiten an dir kennen.« Er schien tatsächlich überrascht von mir zu sein und ich genoss das Gefühl, dass auch er noch etwas über mich lernen konnte.
    »Freut mich, dass ich es schaffe , dich zu überraschen«, erwiderte ich fröhlich.
     
    Nach dem Essen verzog ich mich total übermüdet auf mein Zimmer. Das frühe Aufstehen und die vielen Besichtigungen forderten schon am ersten Tag ihren Tribut. Phil hatte zwar mit mir in ein Pub gehen wollen, aber dazu war ich viel zu kaputt und ich vertröstete ihn auf den nächsten Abend. In meinem erstaunlich gemütlichen Hostelzimmer setzte ich mich aufs Bett und begann zu lesen.
     
    Doch immer wieder schweiften meine Gedanken zu Phil; so viel zum Thema Abstand gewinnen. Seine Anwesenheit in London machte es mir und meinen verwirrten Gefühlen gewiss nicht leichter. Allerdings musste ich zugeben, dass ich wahnsinnigen Spaß mit ihm gehabt hatte. Selten waren unsere bisherigen Treffen so harmonisch verlaufen wie an diesem Tag. Wir hatten miteinander gelacht und gescherzt, hinzu kam, dass er mich in jeglicher Hinsicht unterstützte. Er hatte nicht gelogen, als er sagte, dass er London mochte. Er kannte sich in der Stadt fast noch besser aus als ich und mit Begeisterung hatte er die Rolle des Stadtführers für die Klasse übernommen. Seine Art, die Informationen an die Schüler heranzutragen, war einmalig, immer wieder hatte er in seine kurzen Vorträge kleine Happen aus Klatsch und Tratsch verpackt und sie so präsentiert. Fast begierig hatten die Schüler seinen Storys gelauscht, er wusste unglaublich viel über die Stadt und ihre Geschichte. Auf meine Frage, woher sein Wissen stammte, war er kurz stumm geworden und ein Schatten war über sein Gesicht gefallen. Im Bruchteil einer Sekunde hatte er sich jedoch wieder gesammelt und er erzählte mir, dass das mit seinen früheren Aufenthalten zu tun hatte. Die Art und Weise, wie er auf meine Frage reagiert hatte, ließ mich darauf schließen, dass es auch um die Frau ging, die ihm so viel bedeutet hatte. Was immer geschehen war, es hatte ihn nachhaltig beeinflusst und ihm vielleicht auch einige seelische Wunden zugefügt. Waren sie komplett verheilt, sodass er wirklich frei von jeglichen Bedenken mir gegenüber war?
    Wenn die nächsten Tage genauso werden würden wie der bisherige, dann war es vielleicht doch ein e gute Sache, dass nicht Christian Wagner, sondern Phil mit nach London gekommen war. Ich hatte Christian gewählt, weil die Schüler ihn mochten, aber er war als Mathelehrer längst nicht so vertraut mit dem Thema und mit Feuereifer dabei wie mein anderer Kollege. Und wenn ich noch mein Herzflattern in den Griff bekam, konnte es vielleicht eine rundum gelungene Klassenfahrt werden.
    Entgegen meiner Befürchtung hielten sich meine Schüler nicht nur an die Mitternacht-Sperrstunde, sie blieben auch die Nacht über ruhig und ich musste sie kein einziges Mal ermahnen , leiser zu sein. Dies war meine erste Fahrt mit einer Oberstufe und ich war positiv überrascht, wie sittsam sich die Schüler verhielten. Von den Kollegen

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