Zwischenstation Gegenwart (German Edition)
bedeutet?« Auf seinem Gesicht zeichneten sich seine Verwirrung und der Schmerz, den ich ihm zufügte, deutlich ab. Davor hatte ich mich gefürchtet, wie konnte ich ihm erklären, wie verwirrt ich war, wenn ich selbst nicht wusste, was los war? Ich wollte ihn genauso wie er mich und trotzdem hatte ich Angst. Angst davor, dass meine Erinnerungen zurückkehrten und ich erkennen musste, dass etwas ganz Schreckliches zu meiner Amnesie geführt hatte, etwas, womit er zu tun hatte.
»Doch, es war fantastisch, nur brauche ich noch Zeit. Kannst du das verstehen?«, bat ich ihn und log ihn nicht einmal an. Er nickte, sah sich hastig um und beugte sich zu mir, um mir einen federleichten und flüchtigen Kuss auf die Lippen zu drücken.
»Auch wenn ich es gerne anders hätte, nimm dir alle Zeit der Welt. Gute Nacht«, antwortete er, drehte sich um und ging zu seinem Zimmer. Selbst diese kurze Berührung hatte mich aus dem Gleichgewicht gebracht und ich bildete mir ein, dass die Berührung seiner Lippen noch immer auf meinen brannte. Schnell öffnete ich die Tür zu meinem Raum und betrat ihn eilig. Hinter verschlossener Tür holte ich tief Luft. Was war nur los mit mir? Auf der anderen Seite des Flurs gab es einen Mann, den jede Frau mit Kusshand genommen hätte, und ich stieß ihn vor den Kopf! Ich musste von Sinnen sein. Aufgeregt lief ich auf und ab und überlegte, was ich tun sollte. Sollte ich es wirklich wagen und zu ihm gehen? Ich rief mir noch einmal die Küsse in Erinnerung, die wir in der Gondel des London Eye geteilt hatten, und spürte, wie sich eine wohlige Wärme in mir ausbreitete. Ich würde nie wissen, was mich erwartete, wenn ich nicht endlich den nächsten Schritt tat und ihn an mich heranließ. Es würde auch nicht einfacher werden, wenn ich noch länger wartete. Manchmal musste man einfach etwas riskieren! Im Grunde genommen war des Rätsels Lösung einfach, ich musste nur endlich mutig genug sein. Entschlossen ging ich zur Tür, drehte den Türknauf und öffnete die Tür einen Spalt. Immer noch drang Musik aus den Zimmern zu mir. Ich war kurz davor, die Tür ganz zu öffnen, als ich plötzlich jemanden leise über den Flur huschen hörte. Die Person lief an meinem Zimmer vorbei und kam nicht allzu weit entfernt davon zum Stehen. Ein leises Klopfen an einer Tür ertönte und kurz darauf hörte ich, wie sie geöffnet wurde.
»Anna-Lena, was willst du hier?«, hörte ich Phils überraschte Stimme.
»Dich, Herr Berger, dich«, hörte ich die Schülerin sagen und für einen kurzen Moment herrschte Stille. Ich hielt die Luft an und lauschte angespannt. Was würde er tun? War alles nur eine Lüge gewesen und er würde doch die nächste sich bietende Gelegenheit nutzen?
»Ach Mädchen, schau dich doch mal an. Du bist betrunken und weißt nicht, was du tust.« Das klang nicht so, als würde er sie reinbitten.
»Bin nicht betrunken, war nur ein winziges kleines Schlückchen. Magst du mich denn nicht?«, nuschelte sie, ihre Worte Lügen strafend.
»So gerne wie die anderen auch in deinem Kurs. Geh bitte zurück und schlaf jetzt.« Seine Stimme nahm einen sehr strengen Tonfall an, jegliche Leichtigkeit war ihr entfallen.
»Doch , du magst mich, du hast mir gesagt, ich soll mir andere Schuhe anziehen, damit ich besser laufen kann. Du sorgst dich um mich und du willst mich«, rief sie trotzig.
»Nein, das tue ich nicht. Du bist ein nettes Mädchen und meine Schülerin, und das war es!«
»Hast du etwa eine Frau? Willst du mich deshalb nicht?« Oha, jetzt wurde es gleich noch um einiges interessanter.
»Es gibt eine besondere Frau in meinem Leben, die mir alles bedeutet«, hörte ich ihn sagen.
»Sie muss es doch nicht mitbekommen! Ich werde es ihr garantiert nicht verraten!« Wenn diese Schlampe nicht gleich aufhörte, würde ich die Tür aufreißen und sie an ihren Haaren zurück in ihr Zimmer schleifen.
»Du hast noch nie geliebt, oder? Wenn du jemanden liebst, betrügst du ihn nicht. Und jetzt geh bitte. Ich verspreche dir, dass ich niemandem davon erzähle, was du getan hast. Das wird unser Geheimnis bleiben.« Das letzte Band um mein Herz zersprang mit einem lauten Knall. Tränen der Rührung suchten sich ihren Weg in meine Augen und liefen über meine Wangen. Hatte ich noch nach einem Grund gesucht, warum ich nicht mehr zögern sollte, so hatte er ihn mir mit seiner Antwort gegeben. Mit dem Handrücken wischte ich die Tränen aus meinem Gesicht und lauschte weiter. Doch statt einer weiteren Antwort
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