Zwischenstation Gegenwart (German Edition)
ließ eine angenehme Wärme durch meinen Körper strömen. Vorsichtig nippte ich daran und war überrascht, als ich feststellte, dass der Apfelsaft mit Honig gesüßt war. Und wieder merkte ich, wie eine Erinnerung versuchte, sich ihren Weg ins Licht zu kämpfen, aber wie die Male zuvor verschwand sie, bevor ich wusste, worum es ging. Ich maß dem Ereignis jedoch keine besondere Bedeutung bei, wahrscheinlich hatte ich bei den Hansers Met oder Ähnliches getrunken. Nichts, warum ich besorgt sein sollte. Und doch fühlte sich der ganze Ausflug in Hampton merkwürdig an. Andauernd hatte ich das Gefühl, irgendwelche Puzzleteile vor mir zu sehen, die ich nicht zusammensetzen konnte. Es war wie in einem Traum, in dem ich alles ganz klar vor mir sah, wenn ich aber die einzelnen Teile zusammenfügen wollte, wachte ich auf. Es war zum Verrücktwerden und ich spürte, wie meine Anspannung wuchs.
Bevor ich jedoch länger darüber nachdenken konnte, war die Zeit für den Workshop gekommen. Geschlossen gingen wir zum großen Bankettsaal, in dem eine der Aufführungen stattfinden sollte. In einer Ecke stand eine Gruppe von kostümierten Musikern, die altertümliche Instrumente in der Hand hielten und sich einstimmten. Aus einem Nebenraum trat eine weitere kostümierte Gruppe von Männern und Frauen herein. Dies war das Zeichen für die Musiker aufzuspielen und eine heitere Musik ertönte. Ich ertappte mich dabei, wie ich mich leise im Takt der Musik bewegte und kurz davor war, mitzutanzen! Ich und tanzen? Der Tanz war ein einfacher Rundtanz, mit Schritten, die mir nicht allzu kompliziert aussahen und vielleicht sogar auch für mich erlernbar waren. Was aber immer noch nicht die Tatsache erklärte, warum ich mittanzen wollte und mir alles so vertraut vorkam. Die Tänzer lösten sich, mischten sich unters Publikum und zogen einzelne Zuschauer als Tanzpartner heran. Ehe ich mich versah, hatte einer der Herren mich bei der Hand genommen und mich in die Mitte des Saals gezogen. Panik breitete sich in mir aus, ich würde mich total lächerlich machen und meinen Schülern das schönste Schauspiel bieten. Wahrscheinlich würde ich über meine Füße stolpern und alle anderen Tänzer mit mir zu Boden ziehen. Ich wollte mich schon von meinem Tanzpartner lösen, als ich sah, dass Phil sich ebenfalls in der Gruppe befand und mit einer Selbstverständlichkeit in den Tanz einfiel, als hätte er sein Lebtag nichts anderes gemacht. Gebannt starrte ich zu ihm und wunderte mich über die Leichtigkeit, mit der er tanzte.
»Wow, du bist gut, du kannst sogar ein paar der schwereren Schritte. Machst du das häufiger?«, fragte mich der junge Mann, der mich in die Gruppe gebracht hatte. Erst bei seinen Worten verstand ich, worauf er hinauswollte. Noch während ich dabei gewesen war , Phil anzustarren, hatte ich angefangen, mit den anderen zu tanzen. Und damit meine ich nicht, dass ich einfach meine Füße bewegte, um nicht hinzufallen. Nein, ich wusste genau, was ich zu tun hatte, jede Schrittfolge schien mir bekannt zu sein.
»Ähm, nein, das ist mein erstes Mal«, stammelte ich völlig verwirrt und konnte immer noch nicht fassen, was ich tat. Selbst als mir bewusst geworden war, dass ich tanzte, kam ich nicht aus dem Tritt. Wie ein Roboter auf Autoprogramm setzte ich einen Fuß nach dem anderen und blieb im Takt.
»Wirklich? Dann bist du aber ein wahres Naturtalent oder du hast das in einem früheren Leben vielleicht schon mal gemacht?«, erwiderte mein Partner ehrfürchtig, fast fassungslos. Fing er jetzt auch mit dem Schwachsinn an? Früheres Leben, pah! Und doch kamen mir wieder diese Bilder in den Sinn, von denen ich wusste, dass sie an Halloween entstanden sein sollten. Aber irgendetwas passte nicht zusammen, ich kam nur nicht darauf, was es war.
Mit einem Mal spürte ich Phils prüfenden Blick auf mir, als wartete er auf irgendetwas. Hatte es etwas mit dem zu tun, was er als kompliziert bezeichnet hatte? Wieso wussten wir , wie man Branle tanzt? Was war es, was Phil und ich in diesen verlorenen Wochen getan hatten? Er konnte mir nicht mehr mit den Ausreden kommen, dass wir viel Zeit bei den Hansers verbracht hatten. Waren wir plötzlich einer Gruppe von Mittelalterfreaks beigetreten und waren an den Wochenenden von einem Mittelaltermarkt zum nächsten gezogen? Und wenn ja, warum hatte er mir das nicht erzählt? Es war vielleicht peinlich, aber nichts Schlimmes. Das konnte nicht die ganze Wahrheit sein, da musste mehr
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