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Zwischenstation Gegenwart (German Edition)

Zwischenstation Gegenwart (German Edition)

Titel: Zwischenstation Gegenwart (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Neumann
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Schüssel haben. Das musste eine Art Naturgesetz sein.
    »Warum reist du nicht jetzt sofort ein paar Jahre zurück und bringst mir die dort aktuelle Tageszeitung mit?« Warum wollte er es so kompliziert machen? Oder wollte er Zeit gewinnen, um seinen Betrug vorzubereiten?
    »Weil es nicht geht, kein Zeitreisender kann innerhalb seiner eigenen Lebenszeit reisen. Und bevor du fragst, auch nicht in die Zukunft. Vertrau mir, ich weiß, dass es sich komplett irre anhört, aber ich werde dir beweisen, dass ich die Wahrheit sage.« Er kam zu mir und blieb vor mir stehen, womit er mich zwang , zu ihm hinaufzusehen. Sein Gesicht wirkte so ernst und aufrichtig, dass es mir schwerfiel, ihm nicht zu glauben. Aber seine Geschichte war der reine Wahnsinn und konnte einfach nicht wahr sein. Mir kam ein Ereignis aus der Zeit vor meinem Unfall wieder ins Gedächtnis: Ich war ihm vor der Schule begegnet und war sehr verwundert darüber gewesen, dass er ein historisches Kostüm getragen hatte. Unter fadenscheinigen Ausreden war er schließlich geflüchtet. War es etwa ein Hobby von ihm, so zu tun, als sei er Zeitreisender? Besorgte er sich Kostüme und tat so als ob? Aber was hatte das mit meiner Amnesie zu tun? Wie passte die in diese Geschichte? Er war doch derjenige, der Hilfe bedurfte, und nicht ich. Und trotzdem waren da leise Zweifel, immerhin hatte ich diese Visionen von ihm gehabt, in denen er gewiss nicht der Phil war, den ich kannte. Und was, wenn ich vor meinem Unfall so getan hatte, als ob ich das alles glaubte? Vielleicht hatte er Rollenspiele organisiert, in denen wir vorgaben, Zeitreisende zu sein. An mangelndem Geld dürfte es nicht gelegen haben. War ich dermaßen verliebt in ihn gewesen, dass ich bereit war, bei diesem Schwachsinn mitzumachen?
    »Wir können nicht ewig hierbleiben, die Schüler wollen zurück. Ich kann sie nicht länger aufhalten«, antwortete ich nur. Ich musste hier raus, weg von ihm. Je weiter, desto besser.
    »Sag, dass ich noch etwas zu erledigen habe, vielleicht einen alten Freund besuchen oder so. Fahr mit ihnen vor, ich komme nach. Wir treffen uns um sieben in meinem Zimmer im Hostel.«
    »Ich weiß zwar nicht, was du damit bezwecken willst, aber ich werde da sein und schauen, wie du versuchst, durch die Zeit zu reisen!« Ich lachte höhnisch auf. Ich musste Zeugin seines Scheiterns werden, auch wenn es weh tat. Irgendwie schade, da hatte ich gedacht, dass er doch ganz normal war, und dann so etwas: Bildete sich ein, Zeitreisender zu sein!
     
    Unser Abschied fiel eisig aus; mit Verlassen des geheimen Raums trennten sich unsere Wege. Erst da erinnerte ich mich daran, dass ich ihn hatte fragen wollen, warum er den Raum überhaupt kannte. Er hatte mich jedoch so kirre gemacht mit seinem Blödsinn über das Zeitreisen, dass ich das glatt vergessen hatte. Nach kurzer Zeit hatte ich meine Schüler gefunden, tischte ihnen die Lüge auf, dass Phil noch einen alten Bekannten besuchen wollte, und zusammen fuhren wir mit dem nächsten Zug in die Hauptstadt. Ununterbrochen kehrten meine Gedanken zu seinem ›Geständnis‹ zurück. Ich hatte mit allem Möglichen gerechnet, aber das war in der Tat der größte Schwachsinn, den er sich hätte einfallen lassen können. Wie in Trance erlebte ich die Heimfahrt und auch das anschließende Essen ging unbemerkt an mir vorbei. Mir war der Appetit gründlich vergangen und ich ließ mein Diner fast unberührt zurückgehen. Auf dem Rückweg ins Hostel bekam ich mit, wie zwei Schüler sich darüber wunderten, was mit mir los sei.
    »Was hat sie nur? Sie ist doch sonst nicht so«, fragte Jonas seine Klassenkameradin.
    »Vielleicht Liebeskummer? Was ist, wenn der Berger eine Frau besucht? Ist dir nicht aufgefallen, wie die Simon ihn anschaut, wenn sie glaubt, dass niemand zusieht? Die Frau ist dermaßen in ihn verschossen, dass sie einem schon leidtun kann«, hörte ich, wie das Mädchen antwortete. War es wirklich so offensichtlich, dass ich Gefühle für ihn hatte? Ich musste wirklich an mir arbeiten, dass man mir nicht mehr alles ansah.
    »Meinst du echt? Also, wenn ich Berger wäre, würde ich diese Chance nicht ungenutzt lassen. Sie ist echt süß und für eine Lehrerin voll in Ordnung«, gab der Junge zur Antwort, was ihm einen Stoß seiner Freundin einbrachte, wie mir sein unterdrückter Schmerzensruf verriet. Es rührte mich, dass mich ein Junge in seinem Alter attraktiv fand, doch in meiner derzeitigen Lage munterte es mich nur kurzfristig auf.
    »Genau das

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