Zwölf Jahre Ein Sklave: 12 Years a Slave (Gesamtausgabe) (German Edition)
meinen verzagenden Gedanken hin als mich ein Seemann mit freundlicher Stimme fragte, warum ich so mutlos sei. Der Tonfall und das Gebaren des Manns überzeugten mich und ich antwortete, dass ich ein freier Mann sei und entführt worden war. Er bemerkte, dass dies Grund genug sei um traurig zu sein und befragte mich weiter bis er meine gesamte Geschichte kannte. Er war offensichtlich sehr an meinen Belangen interessiert und schwor mir in der plumpen Sprache der Seeleute, dass er alles für mich tun würde solange es in seiner Macht stehe. Ich fragte ihn nach einem Stift, Tinte und Papier um einigen meiner Freunde schreiben zu können. Er versprach, all dies zu besorgen – aber diese Dinge unbeobachtet zu benutzen war eine echte Schwierigkeit. Wenn ich nach seiner Wache in den Bug gelangen könnte und die anderen Matrosen schliefen wäre der Weg frei gewesen. Sofort fiel mir das kleine Boot ein. Er glaubte, dass wir nicht mehr weit weg waren von Balize an der Mündung des Mississippi und dass der Brief bald geschrieben werden musste, um die Gelegenheit zu nutzen. Also vereinbarten wir, dass ich mich in der nächsten Nacht erneut unter dem Boot verstecken würde. Seine Wache war um Mitternacht vorbei. Ich sah ihn im Vorderdeck verschwinden und folgte ihm ungefähr eine Stunde später. Er war über einem Tisch, auf dem eine kleine Kerze flackerte und auf dem ein Stift und ein Blatt Papier lag, eingenickt. Als ich eintrat schrak er auf und gab mir ein Zeichen, mich auf einen Stuhl neben ihm zu setzen. Stumm zeigte er auf das Blatt Papier. Ich adressierte den Brief an Henry B. Northup von Sandy Hill und schrieb, dass ich entführt worden war und mich auf der Brigg Orleans auf dem Weg nach New Orleans befinde; dass ich noch nichts sagen konnte über mein endgültiges Ziel und dass ich ihn darum bitte, Maßnahmen zu meiner Rettung zu ergreifen. Der Brief wurde versiegelt und adressiert und Manning, der ihn gelesen hatte, versprach ihn im Postamt von New Orleans aufzugeben. Ich eilte zurück zu meinem Platz unter dem Boot und mischte mich am folgenden Morgen erneut unbemerkt unter die anderen Sklaven.
Mein guter Freund hieß John Manning, war von Geburt Engländer und einer der großherzigsten und wohltätigsten Matrosen, die jemals ein Deck gesehen haben. Er hatte in Boston gelebt und war ein großer, gut gebauter Mann von etwa vierundzwanzig Jahren mit einem von Blattern gezeichneten Gesicht und voller wohlwollender Ausstrahlung.
Bis wir New Orleans erreichten passierte nichts mehr, was die Monotonie unseres täglichen Lebens hätte verändern können. Als wir den Damm erreichten und noch bevor das Schiff festgemacht worden war sah ich wie Manning an Land sprang und in die Stadt eilte. Als er sich in Bewegung setzte schaute er bedeutungsvoll über seine Schulter und gab mir damit zu verstehen, was er vorhatte. Schon bald war er zurück, fuhr im Vorbeigehen seinen Ellbogen aus und gab mir durch ein Augenzwinkern zu Verstehen "alles in Ordnung."
Mittlerweile habe ich erfahren, dass der Brief tatsächlich Sandy Hill erreichte. Mr. Northup fuhr nach Albany und legte ihn dort Gouverneur Seward vor; da aber aus dem Papier keine genaue Beschreibung meines Aufenthaltsortes hervorging hielt er es nicht für ratsam, zu diesem Zeitpunkt Maßnahmen zu meiner Befreiung einzuleiten. Man beschloss dies zu vertragen im Vertrauen darauf, dass man bald genauere Kenntnis erhalten würde.
Kurz nach unserer Ankunft am Damm wurden wir Zeuge einer ergreifenden Szene. Gerade als Manning die Brigg verließ um aufs Postamt zu laufen traten zwei Männer vor und riefen laut nach Arthur. Als der Gerufene die Männer erkannte platzte er fast vor Freude. Nur knapp konnte man ihn daran hindern, über die Reling der Brigg zu springen; und als sie sich kurz darauf trafen, nahm er sie bei den Händen und hielt sie lange fest. Die Männer waren aus Norfolk und gekommen, um ihn zu retten. Sie erzählten ihm, dass seine Entführer gefasst worden waren und nun im Gefängnis von Norfolk schmorten. Sie redeten kurz mit dem Kapitän und verließen uns dann zusammen mit dem überglücklichen Arthur.
Leider war in der Menschenmenge, die den Kai bevölkerte, niemand der mich kannte oder sich um mich sorgte. Nicht ein einziger. Weder grüßte mich eine bekannte Stimme, noch kannte ich ein einziges Gesicht. Bald war Arthur wieder mit seiner Familie vereint und konnte zufrieden zusehen, wie das an ihm verübte Unrecht gerächt wurde; würde ich
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