Zwölf Jahre Ein Sklave: 12 Years a Slave (Gesamtausgabe) (German Edition)
bekamen einen Hut, Jacke, Hemd, Hose und Schuhe; die Frauen Kleider aus Kattun und Taschentücher, die sie sich um die Haare banden. Dann wurden wir in einen Raum im vorderen Teil des Gebäudes, an das der Hof anschloss, geführt. Bevor die ersten Kunden eingelassen wurden wollte man uns ordentlich dressieren. Die Männer mussten sich auf der einen Seite des Raumes aufstellen, die Frauen gegenüberliegend. Der Größte stand am Anfang der Reihe, dann der Zweitgrößte, und so weiter. Emily stand ganz am Ende der Frauenreihe. Freeman verlangte forsch, dass wir uns unsere Plätze merken und uns klug und lebhaft geben sollten – manchmal drohte er, oft versprach er aber auch Anreize. Den Tag über brachte er uns bei "klug auszusehen" und mit größter Präzision unsere Plätze wiederzufinden.
Nach der Mittagsfütterung wurden wir erneut aufgestellt und mussten tanzen. Bob, ein farbiger Junge, der schon länger in Freemans Besitz war, spielte auf der Geige. Als ich in seiner Nähe stand fragte ich keck nach, ob er "Virginia Reel" spielen könne. Er verneinte dies und fragte mich, ob ich es könne. Ich bejahte dies und er gab mir die Geige. Ich begann eine Melodie zu spielen und beendete diese. Freeman befahl mir weiterzuspielen und schien hocherfreut. Er gab Bob zu verstehen, dass ich um einiges besser spielte, als er selbst – was meinen musikalischen Gefährten offenbar in große Sorge versetzte.
Am nächsten Tag kamen viele Kunden die sich Freemans neues "Sortiment" anschauen wollten. Letztgenannter war sehr redselig und stellte immer wieder unsere Qualitäten und Vorteile heraus. Er ließ uns unsere Köpfe anheben und kurz vor und zurück laufen während die Kunden unsere Hände, Arme und Körper befühlten, uns drehten und nach unseren Fähigkeiten fragten oder uns in die Münder schauten, um den Zustand der Zähne zu prüfen – genau wie es ein Jockey vor dem Erwerb eines neuen Pferdes machen würde. Manchmal wurde ein Mann oder eine Frau in das kleine Haus im Hof geführt, dort ausgezogen und genauer untersucht. Narben auf dem Rücken eines Sklaven zeugten von aufrührerischem oder unziemendem Gebaren und drückten den Preis.
Ein älterer Gentleman, der auf der Suche nach einem Kutscher war, schien Gefallen an mir zu finden. Aus seiner Unterhaltung mit Freeman erfuhr ich, dass er hier in der Stadt wohnte. Ich wünschte mir sehr, dass er mich kaufen würde, denn es wäre sicher nicht schwer von New Orleans aus auf einem nordwärts fahrenden Dampfer zu fliehen. Freeman verlangte 1500 Dollar für mich. Der alte Gentleman beharrte darauf, dass dies zu viel sei und dass die Zeiten hart waren. Freeman entgegnete, dass ich gesund und munter sei, in guter Verfassung und intelligent. Er stellte besonders meine musikalischen Fähigkeiten heraus. Der alte Herr vertrat entschieden die Auffassung, dass nichts Außergewöhnliches an dem Nigger sei und verließ schließlich zu meinem Bedauern den Raum mit der Ankündigung eventuell wiederzukommen. Während dieses Tages fanden einige Verkäufe statt. David und Caroline wurden zusammen von einem Plantagenbesitzer aus Natchez erworben. Sie verließen uns mit einem breiten Grinsen und mit der freudigen Sicherheit, dass sie nicht getrennt werden würden. Lethe wurde an einen Pflanzer aus Baton Rouge verkauft und ihre Augen funkelten vor Wut als man sie hinausführte.
Derselbe Mann kaufte auch Randall. Der kleine Mann musste springen, durch den Raum rennen und viele andere kleine Kunststücke vollführen, um seine Leistungsfähigkeit und Kondition zu beweisen. Während dieser Handel vonstatten ging weinte Eliza unaufhörlich und wrang sich die Hände. Sie flehte den Mann an, den Jungen nicht zu kaufen, wenn er nicht auch sie und die kleine Emily nehmen würde. Für diesen Fall versprach sie ihm die treueste Sklavin zu sein, die er sich vorstellen könne. Als der Mann antwortete, dass er sich das nicht leisten könne, fiel Eliza in einen Weinkrampf. Freeman drehte sich rasend vor Wut zu ihr um, die Peitsche in der erhobenen Hand, und befahl ihr sofort das Weinen einzustellen, wenn er sie nicht schlagen sollte. Er könne dieses Gejammere, dieses Geplärre nicht mehr aushalten; und wenn sie nicht augenblicklich damit aufhörte, würde er sie in den Hof bringen lassen und ihr dort hundert Schläge verabreichen. Oh ja, er würde ihr den Unsinn schleunigst austreiben, verdammt sei er, wenn ihm das nicht gelänge. Eliza schauderte es vor ihm und sie versuchte, ihre
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