Zwölf Jahre Ein Sklave: 12 Years a Slave (Gesamtausgabe) (German Edition)
Tränen zu trocknen; aber es war alles umsonst. Sie wolle, sagte sie, die kurze Zeit, die sie noch zu leben hatte, bei ihren Kindern sein. Freemans Drohungen und finstere Blicke hatten nicht ausgereicht, die aufgelöste Mutter vollständig verstummen zu lassen. Sie bettelte und flehte weiter man möge ihre Familie nicht trennen. Immer wieder betonte sie, wie sehr sie den Jungen liebte. Und hörte nicht auf, ihr vorheriges Versprechen zu wiederholen – was für ein gehorsamer und treuer Sklave sie doch wäre; wie hart sie bis an ihr Lebensende arbeiten würde, wenn er sie ja nur zusammen kaufen würde. Aber es hatte keinen Zweck; der Mann hatte nicht das Geld dafür. Das Geschäft wurde geschlossen und Randall musste alleine gehen. Dann rannte Eliza zu ihm und umarmte ihn leidenschaftlich, küsste ihn wieder und wieder und ermahnte ihn, sie nie zu vergessen – und die ganze Zeit tropften ihre Tränen wie Regen in das Gesicht des Jungen.
Freeman verfluchte sie, nannte sie eine brabbelnde, plärrende Hure und wies sie an, zu ihrem Platz zurückzukehren und sich zu benehmen; und endlich Ruhe zu geben. Er schwor, dass er solchen Mist nicht länger aushalten könne. Bald würde sie wirklich wissen, warum sie weine, wenn sie nicht sehr vorsichtig wäre, und das würde ihr dann wirklich weh tun.
Der Pflanzer aus Baton Rouge war mit seinen Neuerwerbungen bereit zur Abreise.
"Weine nicht, Mama. Ich werde ein guter Junge sein. Weine nicht", sagte Randall und warf einen Blick zurück, als sie durch die Tür gingen.
Nur Gott weiß, was aus dem Knaben geworden ist. Es war eine traurige Szene, die sich da abgespielt hatte. Und hätte ich es gewagt, hätte ich selbst geweint.
In dieser Nacht erkrankten fast alle die mit der Brigg Orleans gekommen waren. Alle klagten über heftige Kopf- und Rückenschmerzen. Die kleine Emily weinte ständig, was für uns alle hier neu war. Am Morgen rief man einen Arzt, aber auch der konnte die Ursache unserer Krankheit nicht finden. Während er mich untersuchte und mir Fragen über meine Symptome stellte sagte ich ihm, dass ich dies für eine Pockenattacke halte und gab Roberts Tod als Begründung für meinen Verdacht an. Er schloss sich meiner Vermutung an und sandte nach dem Chefarzt des Krankenarztes. Kurz darauf war dieser auch schon da – ein kleiner Mann mit schütterem Haar, der auf den Namen Dr. Carr hörte. Er stellte die Diagnose Pocken, worauf sich ein großer Tumult im Hof erhob. Kurz nach Dr. Carrs Abfahrt wurden Eliza, Emmy, Harry und ich in ein Taxi verfrachtet und in ein großes Marmorgebäude, offensichtlich ein Krankenhaus, am Stadtrand gebracht. Harry und ich bezogen einen Raum in einem der oberen Stockwerke. Ich wurde sehr krank. Drei Tage lang war ich fast blind. Während ich eines Tages so da lag kam Bob herein und sagte Dr. Carr, dass Freeman ihn geschickt hatte um zu erfahren, ob wir Fortschritte machten. Sag ihm, antwortete der Doktor, dass Platt sehr krank ist. Aber wenn er neun Uhr überlebt, wird er vielleicht wieder gesund.
Ich erwartete den Tod. Obwohl mein mir bevorstehendes Leben wenig Erfreuliches bot entsetzte mich die Aussicht auf den Tod noch mehr. Ich hatte erwartet, dass ich mein Leben irgendwann in den Armen meiner Familie aushauchen würde, aber hier unter Fremden und unter solchen Umständen sterben zu müssen war eine bittere Betrachtung.
Es waren viele Menschen beider Geschlechter und unterschiedlichen Alters in diesem Krankenhaus. Im rückwärtigen Teil des Gebäudes fertigte man Särge. Wenn ein Mensch starb ertönte eine Glocke – das Zeichen für den Bestatter, den toten Körper abzuholen und auf den Friedhof zu karren. Diese Glocke ließ ihren melancholischen Klang Tag und Nacht verlauten und verkündete so die Nachricht eines weiteren Todes. Aber meine Zeit war noch nicht gekommen. Ich überstand den Höhepunkt der Krankheit und begann, wieder zu Kräften zu kommen. Nach zwei Wochen und zwei Tagen kehrte ich mit Harry in den Stall zurück, das Gesicht gezeichnet von den Auswirkungen der Krankheit. Sie ist bis heute dort zu sehen. Eliza und Emily kehrten einen Tag später mit einem Taxi zurück und wir wurden erneut zur Prüfung und Untersuchung durch mögliche Käufer in den Verkaufsraum gebracht. Ich nährte immer noch die Hoffnung, dass der alte Mann, der einen Kutscher gesucht hatte und wiederkommen wollte, dies auch tat und mich kaufte. Ich fühlte beständiges Vertrauen, dass ich meine Freiheit bald
Weitere Kostenlose Bücher