Zwölf Jahre Ein Sklave: 12 Years a Slave (Gesamtausgabe) (German Edition)
aber meine Familie jemals wiedersehen? Mein Herz füllte sich mit dem Gefühl vollkommener Verzweiflung und ich wünschte mir voller Bedauern, dass ich mich Roberts Reise zum Grund des Meeres angeschlossen hätte.
Schon bald kamen Händler und Auftragnehmer an Bord. Ein großer Mann mit dünnem Gesicht und von leichter Statur machte seine Aufwartung und präsentierte ein Dokument. Burchs Bande, aus mir, Eliza und ihren Kindern, Harry, Lethe und einigen anderen, die in Richmond zu uns gestoßen waren bestehend, wurde ihm übergeben. Dieser Gentleman war Theophilus Freeman. Er las von seinem Papier ab und rief "Platt." Niemand antwortete ihm. Der Name wurde wieder und wieder gerufen, aber immer noch kam keine Antwort. Dann rief er Lethe, dann Eliza und Harry, bis die Liste abgearbeitet war. Jeder, der seinen Namen gehört hatte, trat einen Schritt vor.
"Kapitän, wo ist Platt?", fragte Freeman nachdrücklich.
Der Kapitän konnte ihm die Antwort nicht geben, hatte er doch niemanden mit diesem Namen an Bord.
"Wer hat diesen Nigger geschickt?", fragte er den Kapitän erneut und deutete dabei auf mich.
"Burch", erwiderte der Kapitän.
"Dein Name ist Platt – du passt zu meiner Beschreibung. Warum trittst du nicht vor?", wollte er von mir mit verärgerter Stimme wissen.
Ich ließ ihn wissen, dass dies nicht mein Name sei; dass man mich noch nie so gerufen hatte und dass ich keinen Bezug dazu hatte, von dem ich wüsste.
"Nun, ich werde ihn dir beibringen, deinen Namen", sagte er, "und so, dass du ihn nie wieder vergessen wirst, bei ……"
Was Blasphemie angeht stand Mr. Theophilus Freeman übrigens seinen Partner Burch in nichts nach. Auf dem Schiff hatte man mich "Steward" genannt und dies war das erste Mal, dass man mich als "Platt" bezeichnete – der Name, den Burch seinem Käufer mitgeteilt hatte. Vom Schiff aus sah ich angekettete Sklaven auf dem Deich arbeiten. Auf dem Weg zu Freemans Sklavenstall gingen wir unmittelbar an ihnen vorbei. Der Stall war dem von Goodin in Richmond sehr ähnlich mit Ausnahme der Mauern, welche hier nicht aus Mauerwerk sondern aus oben angespitzten Holzbohlen bestanden.
Mit uns Neuankömmlingen waren nun mindestens fünfzig Sklaven in diesem Stall. Nachdem wir unsere Decken in einem der kleinen Gebäude des Hofes abgelegt hatten wurden wir zum Essen gerufen. Danach war es uns erlaubt bis zum Einbruch der Nacht in unserem Gefängnis umherzuschlendern. Dann wickelten wir uns in unsere Decken ein und legten uns unter dem Dach, in einem Hochbett oder, wer Lust dazu verspürte, auch mitten im Hof zur Nachtruhe.
In dieser Nacht konnte ich meine Augen nur für kurze Zeit schließen. Die Gedanken schossen durch meinen Kopf. Konnte es möglich sein, dass ich über tausend Meilen von zuhause weg war? Dass ich durch Straßen getrieben worden bin wie ein dummes Stück Vieh? Dass man mich in Ketten gelegt und ohne Gnade geschlagen hatte? Dass ich als vermeintlicher Sklave mit einer Sklavenherde eingepfercht worden bin? Waren die Vorkommnisse der letzten Wochen wirklich real gewesen? Oder war ich nur gefangen in einem nicht enden wollenden bösen Traum? Es war keine Illusion. Mein Kelch war bis zum Überfluss mit Sorgen gefüllt. Dann erhob ich meine Hände zu Gott und betete, in der Stille der Nacht von meinen Gefährten umlagert, um Gnade für diesen armen und verlassenen Sklaven. Zu unser aller Allmächtigen Vater, egal ob frei oder versklavt, sandte ich das Flehen einer gebrochenen Seele und bat um Kraft von oben, um die Last meiner Qualen auszuhalten. Dies tat ich bis das Morgenlicht die Schläfer um mich herum erweckte und ein neuer Tag in Gefangenschaft begann.
Kapitel 6
Der liebenswerte und fromme Mr. Theophilus Freeman, Partner oder Auftragnehmer von James H. Burch und Eigentümer des Sklavenstalls in New Orleans, war schon sehr früh draußen inmitten seiner Tiere. Mit einem gelegentlichen Tritt nach älteren Frauen und Männern oder einem Peitschenschlag um die Ohren der jüngeren Sklaven stellte er sicher, dass sich innerhalb kürzester Zeit alles regte und hellwach war. Mr. Theophilus Freeman tat sehr betriebsam und geschäftig und machte sein Eigentum fertig für den Verkaufsraum – ganz sicher, um an diesem Tag hervorragende Geschäfte zu tätigen.
Zuerst forderte man uns auf uns gründlich zu waschen und die Bartträger mussten sich rasieren. Dann erhielt jeder einen neuen Anzug, einfach aber sauber. Die Männer
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