Zwölf Jahre Ein Sklave: 12 Years a Slave (Gesamtausgabe) (German Edition)
vielleicht nicht begreifen, wie man seinen Bruder in Knechtschaft halten, mit Menschen handeln und gleichzeitig ein moralisches und religiöses Leben führen kann. Beschreibungen von Männern wie Burch und Freeman - neben anderen, die wir noch kennenlernen werden - führen zwangsläufig dazu, alle Sklavenhalter ohne Ansehen der einzelnen Person zu verachten und zu verabscheuen. Aber ich war für einige Zeit sein Sklave und hatte die Gelegenheit ihn, seinen Charakter und seine Ansichten besser kennenzulernen und es wird ihm nicht mehr als gerecht wenn ich sage, dass es meiner Meinung nach niemals einen liebenswerteren, edleren und aufrichtigeren Christen gegeben hat als William Ford. Die Einflüsse und der Umgang, dem er zeitlebens ausgesetzt war, hatten ihn blind gemacht für die Ungerechtigkeit, die die Sklaverei nun mal beinhaltet. Er hat das moralische Recht eines Menschen einen anderen zu unterwerfen niemals angezweifelt. Er sah die Dinge im gleichen Licht wie seine Väter vor ihm und handelte entsprechend. Wäre er unter anderen Umständen oder Einflüssen aufgewachsen wären seine Ansichten mit Sicherheit andere gewesen. Nichtsdestotrotz war er ein Muster eines Herrn, der im Licht seines Verständnisses aufrecht durchs Leben lief und dessen Sklaven sich glücklich schätzen konnten, bei ihm zu sein. Wären alle Menschen wie er hätte die Sklaverei wenigstens die Hälfte ihres Schreckens verloren.
Wir verbrachten zwei ereignislose Tage und drei Nächte an Bord des Dampfers Rodolph. Ich war nun überall als Platt bekannt, der Name den mir Burch gegeben hatte und der mir während meiner gesamten Gefangenschaft erhalten blieb. Eliza wurde unter dem Name "Dradey" verkauft. So wurde sie auch ins Einwohnerbuch von New Orleans eingetragen.
Während unserer Fahrt dachte ich ständig über meine Lage nach und versuchte, in Beratung mit mir selbst, die nächsten Schritte für meine ultimative Flucht festzulegen. Manchmal, und nicht nur zu diesem Zeitpunkt, war ich versucht Ford die Fakten meiner Geschichte offenzulegen. Heute neige ich zu der Annahme, dass dies vermutlich vorteilhaft für mich gewesen wäre. Diesen Weg habe ich oft in Betracht gezogen aber aus Angst vor einem Missverständnis nie beschritten, bis es zu spät war. Meine spätere Übereignung und die damit verbundenen Geldangelegenheiten hätten dies auch nicht zugelassen, der Ausgang wäre mehr als unsicher gewesen. Später, unter anderen Herren als William Ford, wusste ich nur zu gut, dass mich auch nur die kleinste Andeutung über meine wirkliche Herkunft in noch nie vorher gekannte Untiefen der Sklaverei gestoßen hätte. Ich war ein zu teures Gut, um es zu verlieren und ich war mir bewusst, dass man mich dann vermutlich an einen verborgenen Ort hinter der texanischen Grenze gebracht und dort verkauft hätte; hätte ich mein Recht auf Freiheit geäußert wäre ich genau so abgeschoben worden wie der Dieb das gestohlene Pferd abgibt. Also entschied ich mich, dieses Geheimnis tief in meinem Herzen einzuschließen – niemals ein Wort oder auch nur eine Silbe verlauten zu lassen darüber, wer oder was ich war – immer im Vertrauen auf die Vorsehung und mein eigenes Trachten nach Erlösung.
Nach einiger Zeit verließen wir den Dampfer Rodolph an einem Ort namens Alexandria, einige hundert Meilen von New Orleans entfernt. Dies ist ein kleiner Ort am südlichen Ufer des Red River. Nachdem wir dort die Nacht verbracht hatten brachte uns der Morgenzug nach Bayou Lamourie, ein noch kleinerer Ort ungefähr achtzehn Meilen von Alexandria. Dort war auch Endstation der Eisenbahn. Fords Plantage lag an der Texas Road, zwölf Meilen vor Lamourie, in den Great Pine Woods. Man sagte uns, dass wir diese Entfernung zu Fuß überbrücken mussten, da es keine Verkehrsmittel dorthin gab. Entsprechend machten wir uns in Fords Gesellschaft auf den Weg. Es war ein sehr heißer Tag. Harry, Eliza und ich waren sehr schwach und unsere Fußsohlen noch sehr gereizt von den Nachwirkungen der Pocken. Wir kamen nur schwerlich voran und Ford wies uns an, langsam zu machen und uns eine Rast zu gönnen, wann immer wir dies wollten – ein Privileg, von dem wir mehrfach Gebrauch machten. Nachdem wir Lamourie verlassen hatten kamen wir an zwei Plantagen vorbei, die einem Mr. Carnell beziehungsweise einem Mr. Flint gehörten. Dann erreichten wir Pine Woods, ein fast unberührtes Gebiet, das bis runter zum Sabine River reichte.
Das ganze Land am Red River liegt tief und
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