Zwölf Jahre Ein Sklave: 12 Years a Slave (Gesamtausgabe) (German Edition)
getan war. Sie gehorchten ihrem Anführer blind; Cascallas Wort war Gesetz. Sie waren ein ungehobeltes, aber harmloses Volk und genossen ihr wildes Leben. Sie hatten wenig übrig für das offene Land oder die gerodeten Gebiete am Bayou und zogen es vor, sich in den Wäldern zu verstecken. Sie huldigten dem Großen Geist, liebten den Whisky und waren sehr glücklich.
Einmal war ich Gast während eines Tanzes, der zu Ehren einer herumziehenden Gruppe aus Texas, die im Dorf ihr Lager aufgeschlagen hatte, stattfand. Der gesamte Rumpf eines Hirschs briet auf dem offenen Feuer, dessen Schein noch unter den Bäumen, unter denen sie sich versammelt hatten, zu sehen war. Als sie einen Kreis gebildet hatten, Frauen und Männer abwechselnd, spielte eine Art indianische Geige eine unbeschreibliche Melodie. Es war eine immer wiederkehrende, melancholische, magische Tonfolge mit nur ganz wenigen Variationen. Bei der ersten Note, falls es überhaupt mehr als eine in der ganzen Melodie gab, begannen sie sich im Kreis zu drehen und hintereinander herzulaufen. Dabei sangen sie mit gutturaler Stimme ein Lied, das für mich genauso nichtssagend war wie die Musik der Geige. Am Ende des dritten Durchgangs blieben sie plötzlich stehen, schrien als ob ihnen die Lungen platzen müssten und stellten sich in Paaren auf. Immer ein Mann und eine Frau sprangen dann rückwärts voneinander weg so weit es ging, dann wieder vorwärts – nachdem sie dies zwei oder dreimal getan hatten bildeten sie erneut einen Kreis und begannen zu gehen. Es schien mir, als ob man denjenigen für den besten Tänzer hielt, der am lautesten und qualvollsten schreien und am weitesten springen konnte. Immer wieder verließen einigen den Tanzkreis und gingen zum Feuer, um sich ein Stück des Hirschfleisches abzuschneiden. In einen umgestürzten Baumstamm hatten sie ein Loch geschnitten und in diesem zermahlten sie Mais mit Hilfe eines hölzernen Mörsers. Daraus wurde dann Kuchen gebacken. Sie tanzten und aßen abwechselnd. So wurden die Besucher aus Texas unterhalten von den Söhnen und Töchtern der Chicopees und so habe ich persönlich einen indianischen Ball in den Pine Woods von Avoyelles erlebt.
Im Herbst verließ ich das Sägewerk und fand auf der Lichtung Arbeit. Eines Tages drängte die Herrin Ford einen Webstuhl zu kaufen, damit Sally beginnen konnte Winterkleidung für die Sklaven herzustellen. Er hatte keine Ahnung, wo er einen finden sollte und ich schlug ihm vor, dass der einfachste Weg wäre einen selbst zu fertigen. Ich stellte mich ihm als eine Art "Alleskönner" vor und sagte ihm, dass ich es mit seiner Erlaubnis versuchen würde. Er war sofort einverstanden und ich durfte sogar zu einem benachbarten Pflanzer gehen, um vor Beginn der Arbeiten ein Exemplar zu studieren. Nach einiger Zeit war der Webstuhl fertig und wurde von Sally nicht nur gut, sondern perfekt geheißen. Sie konnte leicht darauf die tägliche Menge von zwölf Metern Garn verarbeiten, die Kühe melken und hatte nebenbei sogar noch etwas Freizeit. Der Webstuhl funktionierte so gut, dass ich weitere herstellen musste, die dann an die Plantagen am Bayou verkauft wurden.
Zu dieser Zeit kam ein Zimmermann namens John M. Tibeats auf das Gelände und wollte etwas am Haus meines Herrn reparieren. Man befahl mir mit den Webstühlen aufzuhören und ihm zu helfen. Wir arbeiteten vierzehn Tage zusammen und planten und konstruierten Bretter für eine Täfelung, da verputzte Räume in der Pfarrei von Avoyelles sehr selten waren.
John M. Tibeats war in allen Belangen der krasse Gegensatz zu Mr. Ford. Er war ein kleiner, ständig nörgelnder, hitzköpfiger und gehässiger Mensch. Er hatte keinen festen Wohnsitz und wanderte von einer Plantage zur nächsten, je nachdem wo er gerade Arbeit finden konnte. Er hatte kein Ansehen in der Gemeinde, von den Weißen nicht geschätzt und nicht mal von den Sklaven respektiert. Er war ignorant und obendrein rachsüchtig. Er hat die Pfarrei lange vor mir verlassen und ich weiß nicht mal ob er noch lebt oder bereits tot ist. Sicher ist nur dass es ein überaus unglücklicher Tag war, der uns zusammen brachte. Während meines Aufenthalts bei Master Ford hatte ich nur die sonnige Seite der Sklaverei kennengelernt. Er hatte nicht die eiserne Hand, mit der man uns sonst unterdrückte. Er zeigte gen Himmel und bezeichnete uns mit gütigen und aufmunternden Worten als Sterbliche, die genau wie er selbst nur dem Einen, dem Schöpfer,
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