Zwölf Jahre Ein Sklave: 12 Years a Slave (Gesamtausgabe) (German Edition)
ist sehr sumpfig. Die Pine Woods liegen dagegen noch verhältnismäßig hoch und werden nur hier und da von tieferliegenden Abschnitten durchzogen. Das höher gelegene Land ist von vielen Bäumen bedeckt – Weißeichen, dem Chincopin, der der Kastanie sehr ähnelt, und vor allem Gelbkiefern. Die Bäume sind sehr groß, manche an die zwanzig Meter und wachsen kerzengerade. Die Wälder waren voller scheuem und wildem Vieh, das sich bei unserer Ankunft laut schnaubend und in großen Herden davonmachte. Einige Tiere waren gebrandmarkt, der Rest schien noch wild und ungezähmt zu sein. Sie waren viel kleiner als die nördlichen Rassen und was mich besonders verwunderte waren ihre Hörner. Diese standen seitlich ganz gerade heraus, gerade wie Eisennägel.
Zur Mittagszeit waren wir auf einem gerodeten Stück Land von circa drei oder vier Morgen angekommen. Darauf standen ein kleines, ungestrichenes Holzhaus, eine Maiskrippe – oder wie wir sagen würden, eine Scheune – und eine aus Holz gefertigte Küche. Es war die Sommerresidenz von Mr. Martin. Reiche Pflanzer, die große Anwesen am Bayou Boeuf hatten, waren es gewohnt die heißen Sommer hier in den Wäldern zu verbringen. Hier gab es klares Wasser und erfrischenden Schatten. Diese Zufluchten waren für die Pflanzer dieser Region etwas Ähnliches wie es Newport oder Saratoga für die reicheren Bewohner der Nordstaaten waren.
Man schickte uns rüber zur Küche und versorgte uns mit Süßkartoffeln, Maisbrot und Bacon, während Master Ford und Mr. Martin im Haus speisten. Man sah einige Sklaven auf dem Gelände. Martin kam heraus und betrachtete uns. Er wollte von Ford wissen, wie viel wir jeweils gekostet hatten, ob wir Grünschnäbel waren und stellte noch einige Fragen bezüglich des Sklavenmarkts im Allgemeinen.
Nach einer langen Rast machten wir uns wieder auf den Weg entlang der Texas Road, die ziemlich wenig befahren zu sein schein. Fünf Meilen wanderten wir durch die grünen Wälder ohne eine weitere Behausung zu sehen. Als die Sonne im Westen zu sinken begann kamen wir an eine weitere Rodung von etwa zwölf bis fünfzehn Morgen.
Dort stand ein Haus, das um einiges größer war als das von Mr. Martin. Hinten war ebenfalls eine Holzküche angebaut, es gab einen Geflügelschlag, Scheunen und einige Negerhütten. Neben dem Haus lagen ein Pfirsichhain und ein Garten mit Orangen- und Granatapfelbäumen. Die ganze Fläche war von Wald umsäumt und mit einem grünen Teppich aus saftigem Grün bedeckt. Es war ein ruhiger, einsamer und freundlicher Ort – sprichwörtlich eine Oase in der Wildnis. Es war das Zuhause meines Herrn, William Ford.
Als wir uns näherten stand ein Mädchen – ihr Name war Rose – auf dem Vorplatz. Sie lief zur Tür und rief ihre Herrin, die auf der Stelle heraus rannte, um ihren Mann zu begrüßen. Sie küsste ihn und wollte lachend wissen, ob er "diese Nigger" gekauft hatte. Ford bejahte und wies uns an, um die Ecke zu Sallys Hütte zu gehen und uns dort auszuruhen. Als wir ums Haus herum gegangen waren entdeckten wir Sally beim Waschen, während ihre zwei kleinen Kinder neben ihr auf dem Rasen spielten. Sie sprangen auf, watschelten rüber zu uns und starrten uns an, als ob wir eine Herde Kaninchen wären. Dann rannten sie zurück zu ihrer Mutter, als ob sie Angst hätten.
Sally führte uns in die Hütte und meinte, wir sollten unsere Sachen ablegen und uns setzen. Sicher waren wir sehr erschöpft. Dann kam John herein, seines Zeichens Koch und ein Junge von höchsten sechzehn Jahren. Er war schwärzer als jeder Rabe. Er schaute in unsere Gesichter, sagte nur "Wie geht’s?", drehte sich um und rannte zurück zur Küche. Dabei lachte er lauthals, als ob unsere Ankunft ein guter Witz war.
Ausgelaugt von dem langen Marsch wickelten Harry und ich uns bei Einbruch der Dunkelheit in unsere Decken und legten uns auf den Hüttenboden. Wie üblich stahlen sich meine Gedanken zu meiner Frau und meinen Kindern. Das Bewusstsein meiner wirklichen Lage und die Hoffnungslosigkeit einer Flucht durch die weitläufigen Wälder von Avoyelles lag schwer auf meinem Herzen – und doch war es zuhause in Saratoga.
Ich wurde am nächsten Morgen durch die Stimme von Master Ford geweckt. Er rief nach Rose, die ins Haus eilte, um die Kinder anzuziehen. Sally war auf dem Feld und melkte die Kühe während John geschäftig in der Küche Frühstück zubereitete. Harry und ich schlenderten in der Zwischenzeit durch den Hof und
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