Zwölf Jahre Ein Sklave: 12 Years a Slave (Gesamtausgabe) (German Edition)
ich eine Tat beging, auf die in diesem Staat die Todesstrafe stand. Es war mein erster Kampf mit Tibeats. Die Weberei, die wir hoch zogen, stand im Obstgarten nur ein paar Schritte entfernt von Chapins Domizil, das auch als "das große Haus" bezeichnet wurde. Eines Nachts, als ich gearbeitet hatte bis es zu dunkel dafür war, wurde mir von Tibeats befohlen am nächsten Morgen sehr früh aufzustehen, ein Fass Nägel bei Chapin zu beschaffen und damit zu beginnen die Dachschindeln anzubringen. Müde zum Umfallen zog ich mich in die Hütte zurück und unterhielt mich eine Weile mit Eliza, die zusammen mit Lawson, seiner Frau Mary und einem weiteren Sklaven namens Bristol ebenfalls dort wohnte. Ich kochte mir ein Abendbrot aus Bacon und Maisfladen, legte mich auf den Boden und hatte keine Ahnung, welche Leiden mich am nächsten Morgen erwarten sollten. Noch vor Tagesanbruch stand ich auf dem Vorplatz des "großen Hauses" und wartete auf das Erscheinen von Aufseher Chapin. Hätte ich ihn geweckt und ihm mein Begehren kundgetan wäre dies ein unverzeihbarer Fehler gewesen. Endlich kam er heraus. Ich nahm meinen Hut ab und informierte ihn, dass Master Tibeats mich geschickt hatte um ein Fass Nägel zu beschaffen. Wir gingen ins Lager, wo er mir eines zurollte und dabei bemerkte dass er versuchen würde andere Nägel zu bekommen, sollten diese nicht von der Größe sein, die Tibeats brauchte. Solange könne ich es ja mit diesen hier versuchen. Dann bestieg er sein Pferd, das voll aufgezäumt vor der Tür stand und ritt auf die Felder, zu denen die Sklaven schon vorgegangen waren. Ich nahm das Fass auf meine Schulter und ging rüber zur Weberei, wo ich den Deckel aufbrach und mit den Schindeln begann.
Als der Tag anbrach kam Tibeats aus dem Haus und rüber zu mir, der ich hart arbeitete. Er schien an diesem Morgen noch missmutiger und übelgelaunter zu sein als üblich. Er war mein Herr und mein Fleisch und Blut gehörten von Gesetz wegen ihm. Er war befugt, mich auf jede auch noch so tyrannische Art und Weise zu beherrschen. Aber es gab kein Gesetz, das mich davon abhalten konnte, ihn geringschätzig anzusehen. Ich verachtete sowohl seine Veranlagung als auch seinen Intellekt. Ich war gerade zum Fass gegangen, um meinen Vorrat an Nägeln aufzufüllen, als er die Weberei erreichte.
"Ich dachte, ich hätte dir befohlen heute morgen die Wetterschenkel anzubringen", bemerkte er.
"Ja, Master, das tue ich gerade", antwortete ich.
"Wo?", wollte er wissen.
"Auf der anderen Seite", war meine Erwiderung.
Er ging um das Gebäude herum und betrachtete meine Arbeit eine Weile, als wollte er unbedingt einen Fehler finden.
"Habe ich dir letzte Nacht nicht gesagt, du sollst ein Fass Nägel von Chapin besorgen?", brach es aus ihm heraus.
"Ja, Master, das habe ich getan; der Aufseher hat auch gesagt, dass er Ihnen eine andere Größe besorgen könne, sobald er von den Feldern zurück ist."
Tibeats ging rüber zum Fass, begutachtete den Inhalt einen Moment lang und trat dann mit voller Kraft dagegen. Wütend kam er auf mich zu und rief:
"Gottverdammter Idiot! Ich dachte, du hättest Ahnung !"
Ich gab zurück: "Ich tat, was sie gesagt haben, Master. Ich wollte nichts Böses tun. Der Aufseher sagte … " - Aber er unterbrach mich mit einer ganzen Flut von Verwünschungen, so dass ich den Satz nicht zu Ende bringen konnte. Schließlich rannte er Richtung Haus, ging zum Vorplatz und nahm dort eine der großen Peitschen des Aufsehers von der Wand. Die Peitsche hatte einen kurzen, hölzernen Griff, der mit Leder verziert war und am stumpfen Ende beschwert. Die Geißel war etwa einen Meter lang und aus rohem Leder gefertigt.
Zunächst war ich erschrocken und mein erster Gedanke war zu rennen. Es war niemand in der Nähe als die Köchin Rachel und Chapins Frau – und keine von beiden war zu sehen. Alle anderen waren auf den Feldern. Ich wusste, dass er mich auspeitschen wollte und das war das erste Mal seit meiner Ankunft in Avoyelles überhaupt. Außerdem wusste ich, dass ich seine Anweisungen befolgt hatte – dass ich keinerlei Unrecht begangen hatte und eher eine Belobigung als eine Bestrafung verdient hatte. Meine Angst wich dem Zorn und noch bevor er bei mir war hatte ich mich schon entschieden, nicht ausgepeitscht zu werden, auf Leben oder Tod.
Tibeats wickelte die Peitsche um seine Hand, und nahm den Stock in die andere. Dann ging er auf mich zu und befahl mir mit
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