Zwölf Jahre Ein Sklave: 12 Years a Slave (Gesamtausgabe) (German Edition)
auch das beste Gewand an. Die Baumwolljacke war frisch gewaschen, die Schuhe mit einem Kerzenstumpf blank poliert und wer so glücklich war, einen randlosen Hut sein eigen zu nennen, zog diesen auf. Aber auch wenn man ohne Hut und barfuß erschien war man zur Feier herzlich willkommen. Die Frauen trugen normalerweise Taschentücher um ihre Haarpracht; hatte ihnen aber eine glückliche Fügung ein feuerrotes Haarband oder eine getragene Haube der Großmutter ihrer Herrin beschert, durfte man sicher sein, dass auch diese getragen wurden. Rot – das dunkle Rot des Blutes – war ganz klar die Lieblingsfarbe der versklavten Jungfern, die ich kennenlernen durfte. Wenn nicht ein rotes Band den Hals verdeckte, band man das dunkle Wuschelhaar eben mit roten Schnüren oder Litzen zusammen.
Der Tisch wird im Freien aufgeschlagen und mit allen erdenkbaren Fleischsorten und Bergen von Gemüse gedeckt. Bei solchen Gelegenheiten gibt es weder Maisfladen noch Bacon. Manchmal wird in der Küche der Plantage gekocht, manchmal aber auch unter den ausladenden Ästen großer Bäume. Im letzteren Fall wird dort eine große Mulde ausgehoben und darin so viel Holz verbrannt, dass sie bald mit glühender Kohle gefüllt ist. Darüber werden Hühner, Enten, Truthähne, Schweine und nicht selten auch ein kompletter Ochse gegrillt. Die Sklaven erhalten auch Mehl, aus denen Kekse, oft gefüllt mit Pfirsichen oder anderem Eingemachtem, Obstkuchen und alle möglichen anderen Kuchen gemacht werden. Nur ein Sklave, der jahrelang von seiner täglichen Ration Maisfladen und Bacon leben musste, kann solch ein Mahl genug schätzen. Auch viele weiße Leute versammeln sich, um das gastronomische Spektakel zu beobachten.
Man setzt sich an den rustikalen Tisch – die Männer auf einer Seite, die Frauen auf der anderen. Ein Paar, das vielleicht schon die eine oder andere Zärtlichkeit getauscht hatte, sitzt sich unvermeidlich gegenüber; die Pfeile des allgegenwärtigen Amor kennen keinen Unterschied zwischen weiß und schwarz und treffen auch das Herz des Sklaven. Ungetrübte und überschwängliche Freude leuchtet aus den schwarzen Gesichtern. Am ganzen Tisch sieht man, wie die elfenbeinfarbenen Zähne, die in starkem Kontrast zu dem sonst dunklen Äußeren stehen, in weißen, langen Streifen aufleuchten. Hunderte Augenpaare blicken verzückt auf den überreich gefüllten Tisch. Das Kichern und Klappern der Bestecke und des Geschirrs übertönt schnell den Rest. Cuffees Ellbogen fährt in die Seite seines Nachbarn; Nelly bedeutet mit ihrem Finger etwas an Sambo und lacht dabei, sie weiß selbst nicht warum. Und so gehen Belustigung und Spaß immer weiter.
Nachdem die Lebensmittel verschwunden und die hungrigen Mäuler der Kinder der Arbeit gestillt sind ist die Zeit für den Weihnachtstanz gekommen. Es war immer meine Aufgabe an diesen Feiertagen, die Geige zu spielen. Die afrikanische Rasse liebt die Musik, sprichwörtlich; und es gab unter meinen Gefährten nicht wenige, deren Stimmbänder unglaublich entwickelt waren und die das Banjo mit großer Fingerfertigkeit bearbeiteten; aber auch wenn man mich jetzt für großspurig halten wird, muss ich betonen, dass ich immer der Ole Bill am Bayou Boeuf war. Mein Herr bekam oft Briefe, manchmal noch aus einer Entfernung von zehn Meilen und mehr, die mich anforderten für eine Veranstaltung oder einen Ball der Weißen. Er bekam dafür eine Entschädigung und meistens kehrte auch ich mit ein paar Münzen zurück, die in meiner Tasche klingelten – die zusätzliche Spende derer, denen mein Spiel überaus gut gefallen hatte. So wurde ich den Bayou hinauf und hinunter bekannt, weit mehr als mir das sonst gelungen wäre. Die jungen Männer und Fräuleins in Holmesville wussten immer, wenn Platt Epps mit der Geige in der Hand durch die Straßen ging, dass es irgendwo was zu feiern gab. "Wohin gehst du, Platt?" und "Was spielst du heute Nacht, Platt?" waren die Fragen, die mir von jeder Tür und jedem Fenster entgegen schallten; und wenn er nicht gerade in großer Eile war, gab Platt dem großen Drängen nach, zog seinen Bogen und spielte auf seinem Maultier sitzend für eine Menge hocherfreuter Kinder, die sich in der Straße um ihn herum versammelt hatte.
Ach! hätte ich meine geliebte Geige nicht bei mir gehabt, wie hätte ich die Jahre der Knechtschaft überleben sollen? Sie hat mich in viele "große Häuser" gebracht, mich von den Schmerzen vieler Tage im Feld befreit, mir zu Komfort für
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