Zwölf Jahre Ein Sklave: 12 Years a Slave (Gesamtausgabe) (German Edition)
meine Hütte verholfen, zu Pfeife und Tabak und einem extra Paar Schuhe. Und sie hat mich entführt aus der Gegenwart meines grausamen Herrn und mich viele ausgelassene und fröhliche Festivitäten erleben lassen. Sie war mein Gefährte – der Freund, der laut triumphierte, wenn in meiner Brust Fröhlichkeit herrschte und der im nächsten Moment mit sanften, melodiösen Klängen meiner Traurigkeit Ausdruck gab.
Meine Geige sang mir oft zur Mitternacht, wenn der Schlaf erschrocken meine Hütte verlassen hatte, ein Lied des Friedens, in dem meine über mein Schicksal beunruhigte Seele Trost fand. An den Tagen des heiligen Sabbats, wenn eine oder zwei Stunden Freizeit erlaubt waren, begleitete sie mich an die Böschung des Bayous und erhob dort ihre schöne und freudige Stimme. Sie verkündete meinen Namen im gesamten Umland – verschaffte mir Freunde, die mich sonst nicht einmal angeschaut hätten und einen Ehrenplatz bei den alljährlichen Feiern ebenso wie das lauteste und herzlichste Willkommen beim Weihnachtstanz. Der Weihnachtstanz! Oh, ihr Freude suchenden Söhne und Töchter des Müßiggangs, die ihr mit maßvollem Schritt, teilnahmslos und schlangengleich durch den langsamen Figurentanz schreitet, wenn ihr die Geschwindigkeit, falls nicht sogar die "Poesie der Bewegung" zu sehen wünscht – echte Fröhlichkeit, ungezügelt und uferlos – dann kommt nach Louisiana und seht den Sklaven beim Tanz unter den Sternen der Weihnachtsnacht zu.
An diesem speziellen Weihnachten, das ich nun im Sinn habe und das als Beschreibung aller anderen Weihnachtstage dienen soll, begannen Miss Lively, die Stewart gehörte, und Mr. Sam, der Eigentum von Roberts war, den Tanz. Es war wohl bekannt, dass sich Sam leidenschaftlich in Lively verliebt hatte, genau wie einer von Marshalls und einer von Careys Jungs; denn Lively, und das bedeutet ihr Name, war wirklich lebhaft , und eine kokette Herzensbrecherin obendrein. Sam Roberts durfte sich siegreich schätzen, als sie ihm nach dem Mahl die Hand für den ersten Tanz reichte und damit alle Rivalen ausstach. Deren gute Laune war natürlich verflogen und sie schüttelten ärgerlich ihre Köpfe und sahen so aus, als ob sie jeden Moment über Sam herfallen und ihn verletzen wollten. Aber nicht ein Zornesstrahl erreichte Samuels mit Stolz erfüllter Brust, als seine Beine an der Seite seiner betörenden Partnerin wie Trommelstöcke durch die Luft flogen. Die ganze Gesellschaft feuerte sie lautstark an und, angeregt vom Applaus, "tanzten sie alles nieder", selbst nachdem alle anderen erschöpft angehalten hatten und nach Luft schnappen mussten. Sams übermenschliche Anstrengungen forderten schließlich ihren Tribut und er musste Lively, die sich immer noch wie ein Kreisel drehte, alleine lassen. Daraufhin sprang einer von Sams Rivalen, Pete Marshall, sofort ein und tanzte und sprang und warf sich in jede nur vorstellbare Position, als ob er entschlossen zeigen wollte, dass Sam Roberts überhaupt nicht zählte.
Petes Hingabe war allerdings bedeutend größer als seine Kondition. Die anstrengenden Übungen hatten ihm bald die Luft genommen und er fiel um wie ein leerer Sack. Jetzt war die Zeit für Harry Carey gekommen; aber Lively hatte auch ihn bald unter viel Hurra und Geschrei erschöpft und damit ihren wohlverdienten Ruf als "schnellste Maid" am Bayou voll untermauert.
Ist jemand erschöpft, übernimmt ein anderer seinen Platz; und der - oder die - am längsten auf dem Tanzboden bleibt, erhält die meisten Anfeuerungen. So wird getanzt bis ins helle Tageslicht. Wenn der Klang der Geige aufhört, ist das Fest noch lange nicht zu Ende; dann beginnt die den Sklaven eigene, ganz besondere Musik. Sie entsteht durch "Klopfen", das begleitet wird von einem dieser unbedeutenden Lieder, die eher dafür gemacht worden sind, sich einer bestimmten Melodie anzupassen, als irgendetwas auszusagen. Das "Klopfen" entsteht so: zuerst schlagen die Hände auf die Knie, dann schlagen sie zusammen, dann schlägt die rechte auf die linke Schulter und die andere auf die rechte. Dann beginnt das ganze von vorn, während die Füße die ganze Zeit über den Takt halten.
Während der restlichen Feiertage, die auf Weihnachten folgen, bekommen die Sklaven Pässe und dürfen sich innerhalb festgelegter Grenzen frei bewegen – oder auf der Plantage bleiben und arbeiten, wofür sie dann aber bezahlt werden. Ganz selten zieht jemand diese Alternative vor. Man sieht sie in alle
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